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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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Rande des Lagers, das von einem schmächtigen Jungen unterhalten wurde. Zwei Kissen lagen dort bereit. Daneben befand sich ein schmales Tablett mit zwei Trinkbe-chern, und auf einem flachen Stein stand eine große, dampfende Kanne.
    »So eine Kaffeekanne«, sagte der Scheik, »ist eine gute Sache, hält sie den Kaffee doch lange warm. Und der Kaffee hält den Verstand wach.«
    »Lobst du tatsächlich eine Erfindung der Franken?«
    »Ihr Franken seid klug und erfinderisch. Noch mehr würde ich euch allerdings loben, wenn ihr euren Ein-fallsreichtum nicht so sehr auf kriegerische Dinge wie Kanonen und Gewehre richten würdet.«
    »Nun, eine Kaffeekanne ist nichts Kriegerisches.«
    »Wirklich nicht, Musâfir? Der wache Geist kann auch Schlachten planen. Stimmt es nicht, daß euer An-führer Bonaparte, wenn er im Feldlager ist, stets sieben Kannen Kaffee auf dem Feuer hat?«
    »Das weiß ich nicht, ich bin kein Soldat. Du dagegen bist der Scheik eines Stammes von Kriegern und solltest Verständnis dafür haben, wenn ein Feldherr seinen Geist wachhält.«
    »Die Krieger meines Stammes kämpfen nur zur Verteidigung, nicht, um zu erobern.«
    »Und was verteidigen sie? Das Wahre Kreuz?«
    »Wie kommst du auf diesen Gedanken?«
    »Ihr nennt euch Abnaa Al Salieb, die Söhne des Kreuzes!«
    Statt meine Frage zu beantworten, lud Jussuf mich ein, Platz zu nehmen. Der Junge, der neben dem Feuer gewartet hatte, füllte unsere kleinen Becher mit Kaffee und zog sich dann auf Geheiß seines Scheiks zurück.
    Ich hätte mir fast die Zunge verbrannt, denn der Kaffee war noch heißer, als er süß war. Ich stellte den Becher zurück aufs Tablett. »Du hast meine Frage noch nicht beantwortet, Jussuf.«
    Er breitete die Arme aus. » Salieb-Yassou – das Wahre Kreuz! Viele möchten es besitzen, und viele glauben oder behaupten, sie besäßen es. Aus all den vermeintlichen Kreuzen eures Propheten Isa, die es im Lauf der Zeit gegeben hat, könnte man eine Brücke bauen oder ein Haus. Reliquien sind fruchtbarer als jedes lebende Wesen. Auch Sultan Saladin gab nach der Schlacht bei Hattin vor, das Kreuz zu besitzen.«
    »Dabei war ihm nur die Hülle in die Hände gefallen, oder?«
    »Hör zu, Musâfir. Vier Jahre nach Hattin haben die Kreuzfahrer die Stadt Akkon belagert. Erst fehlte es Saladin an Verstärkung. Als die dann endlich eintraf, hatte das christliche Heer sich so gut verschanzt, daß alle Angriffe Saladins erfolglos blieben. Seine Lage wurde immer schwieriger. Er bot den Christen viel Geld und die Rückgabe des Wahren Kreuzes an, wenn sie im Gegenzug die Stadt verschonten. Aber das versprochene Kreuz hat er nie herausgegeben. Warum nicht?«
    »Vielleicht hat ihn sein Versprechen gereut, als er daran dachte, welche Kraft die Kreuzfahrer dem Kreuz Jesu beimaßen«, überlegte ich laut. »Oder er hat es nicht herausgegeben, weil er es nicht besaß.«
    »Warum hat er es dann versprochen?«
    »Bin ich Saladin?« seufzte ich. »Möglicherweise hat er das Versprechen abgegeben und danach erst festgestellt, daß er bei Hattin gar nicht die Reliquie erobert hatte. Hätte er den Kreuzfahrern nur die Hülle übergeben, wäre das aufgeflogen und er hätte als Tölpel dage-standen.«
    »Beides ist möglich. Vielleicht hat Saladin das Kreuz tatsächlich nicht herausgegeben, ohne zu ahnen, daß er gar nichts zum Herausgeben besaß.«
    »Aber wer besaß es zu jener Zeit?« fragte ich. »Wem hat Ourida es gebracht?«
    Jussuf goß uns neuen Kaffee ein, legte etwas Holz nach und blickte in die auflodernden Flammen. »Ourida hatte es nicht leicht. Sie wußte, daß ihr geliebter Mann gestorben war – für sie, für ihr gemeinsames Kind und für das Kreuz, das er im Auftrag Gottes be-hütet hatte. Sie wollte erfüllen, was Roland sich selbst und seinem Gott geschworen hatte, aber sie wußte, daß sie allein womöglich zu schwach dazu war. Eine schutz-lose Frau, noch dazu mit einem Kind im Leib. Deshalb hat sie bei ihrem Stamm Hilfe gesucht.«
    »Aber all ihre Angehörigen waren doch ermordet worden«, warf ich ein.
    »Nur ihre engere Familie. Vergiß nicht, daß sie sich von ihrem Stamm getrennt hatten. Es dauerte einige Wochen, bis Ourida ihre Leute, von denen sie seit Jahren nichts gehört hatte, fand. Anfangs behielt sie ihr Geheimnis für sich. Sie sagte nur, ihre Familie sei tot und sie suche Schutz für sich und ihr Kind. Als das Kind geboren war, ein Mädchen mit eigentümlichem Kupferhaar, wie man es sonst bei den Kindern der Wü-
    ste nicht

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