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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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findet, vertraute Ourida sich nach und nach einigen Weisen des Stammes an. Die Überlieferungen aus jener Zeit sind lückenhaft, aber wir wissen, daß ein Teil ihrer Leute sich auf ihre Seite stellte und einen neuen Stamm gründete.«
    »Die Abnaa Al Salieb , die Söhne des Kreuzes!«
    »Ja, Musâfir. Ourida hatte die Ihren von der Wichtigkeit ihrer Aufgabe überzeugt. Vielleicht spielte auch ihre Gabe dabei eine Rolle, wir wissen es nicht. Jedenfalls hatten die Abnaa Al Salieb die Bedeutung des Wahren Kreuzes erkannt – und die Gefahr, die drohte, wenn es in die falschen Hände geriet. Und sie schworen, es zu behüten und vor aller Augen zu verbergen.«
    »Wenn das Kreuz so gefährlich ist, weshalb habt ihr es nicht einfach vernichtet?« Ich nahm einen der neben dem Feuer aufgeschichteten Äste und warf ihn in die Glut; sofort leckten knisternd Flammen an ihm und fraßen ihn auf. »Es ist doch so einfach. Ist niemand auf die Idee gekommen in all der Zeit?«
    Meine Worte erschreckten Jussuf dermaßen, daß er unwillkürlich in seine eigene Sprache verfiel und rief:
    » Schi makru! – Das ist schändlich!« Er atmete tief durch und starrte mich an wie einen Dämon oder Schwerverbrecher. »Wie kannst du so etwas fragen?
    Wie kannst du das auch nur denken? Wir sollen ein Stück Holz von dem Wahren Kreuz vernichten, das Allâhs Atem gestreift hat?«
    »Du verwirrst mich, Jussuf. Nach der Lehre des Korans ist Jesus oder Isa nicht Gottes Sohn.«

    »Aber auch nach dem Koran hat Mariam ihn empfangen ohne das Zutun eines Mannes. Auch nach dem Koran ist Isa Al-Masih, der Messias, der Allâhs Botschaft verkündet, die Kranken geheilt und Lazarus zum Leben erweckt hat. Der Koran nennt ihn sogar Rubun min Allâh , Geist Gottes!«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das mag sein, aber ich ha-be gelesen daß nach der Lehre des Islam Jesus nicht am Kreuz gestorben ist.«
    »Das ist wahr. Nicht Isa starb am Kreuz, sondern einer, der ihm ähnelte.«
    »Wer?«
    »Darüber streiten die Gelehrten. Einige meinen, der Gekreuzigte sei jener gewesen, der ihn für dreißig Sil-berlinge verraten hat. Andere sagen, es war ein Spion oder ein Mörder, der auf Isa angesetzt und dann versehentlich an seiner Stelle ergriffen worden war.«
    »Also ist ein schlechter Mensch am Kreuz gestorben?«
    »Vermutlich, ja.« Jussuf sah mich an wie ein Wild, das die Falle wittert. »Aber worauf willst du hinaus, Musâfir?«
    »Wenn es ein schlechter Mensch war, der am Kreuz gestorben ist, ein Verräter oder Spion oder Mörder, warum scheut ihr dann so davor zurück, das Stück Holz zu vernichten?«
    »Wir wissen nicht, was damals wirklich geschehen ist. Aus dem Koran geht es nicht eindeutig hervor. Eindeutig ist, daß Allâh seinen Gesandten Isa vom Tod am Kreuz errettet hat, nicht aber, unter welchen Umständen. Vielleicht ist Allâh selbst mit dem Kreuz in Berührung gekommen.«
    »Trotzdem soll Mohammed, wenn ich mich recht erinnere, das Kreuz verabscheut haben. Heißt es nicht, er habe jeden Gegenstand mit einem Kreuz, der ihm unter die Augen kam, vernichtet?«

    »Sein Abscheu galt dem Glaubenssymbol der Christen, nicht dem Wahren Kreuz.«
    Ich leerte meinen Kaffeebecher in einem Zug und spürte augenblicklich, wie das heiße Getränk meinen müden Verstand belebte. Das war auch nötig, denn die Unterhaltung mit Jussuf strengte mich an. Verzweifelt bemühte ich mich zu verstehen, worauf er hinauswoll-te. »Deine Worte mögen alle richtig sein, Jussuf, aber sie verwirren mich mehr, als daß sie meinen Geist er-leuchten. Ich begreife einfach nicht, wieso euch Muslimen so viel am Kreuz Jesu liegt. Für die Christen ist es von so großem Wert, weil sie daran glauben, daß der Sohn Gottes daran sein Leben ausgehaucht hat. Und daß Gott ihn wieder zum Leben erweckt hat. Für sie ist das Kreuz ein Zeichen der Erlösung, des Triumphs über den Tod. Deshalb sind sie ihm bei den Hörnern von Hattin in die Schlacht gefolgt. Was aber bedeutet es euch?«
    »Wenn es den Christen den Sieg zu bringen vermag, dann bringt es uns die Niederlage, vielleicht den Untergang. Welche Macht auch immer von ihm ausgeht, in den falschen Händen kann sie großes Unheil bewirken.
    Deshalb müssen wir es behüten!«
    Wir schwiegen eine Weile, während der ich mich fragte, ob der Scheik mir wirklich alle Beweggründe der Abnaa Al Salieb offenbart hatte. Oder hatte das Wahre Kreuz die, die es behüteten, über die Jahrhunderte in einer Weise beeinflußt, die ihnen peinlich war? Hatten die

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