Das wahre Leben
kann Sie nicht daran hindern, zur Presse zu gehen, wie Sie gedroht haben. Oder zur Stadtpräsidentin, die Sie persönlich kennen. Aber ich möchte Sie bitten, sich das noch einmal zu überlegen. Möchten Sie Ihre Energie wirklich darauf konzentrieren? Hilft es Ihrer Tochter Suleika?»
«Ich möchte einfach wissen, wie meine Tochter zu solchem Zeug kommt. Methyl-scheiÃ-drauf, das ist reiner Speed, machen Sie mir doch nichts vor! Die gefährlichste Droge der Welt. Und dank Ãrzten wie Ihnen auf jedem Pausenplatz frei verfügbar.»
«Ich bin Neurologe», sagte Dr. Fankhauser steif. «Dieses Medikament wird normalerweise von Psychiatern verschrieben. Und nicht leichtfertig, das können Sie mir glauben.»
Er mag ihn nicht, dachte Erika erstaunt. Die ganze Haltung des Arztes drückte Widerwillen aus, Abscheu fast. Erika hatte noch nie jemanden getroffen, der Max nicht mochte. AuÃer Lukas, fiel ihr jetzt ein. Er hatte ihn ein- oder zweimal in einer nächtlichen Diskussion am WG-Tisch als «eitlen Schwätzer» bezeichnet. Aber er war zu höflich gewesen, um Max vor Erika schlechtzumachen. Sie hätte ohnehin nicht auf ihn gehört.
Max wandte sich nun ihr zu: «Ist es das, was du wolltest? Ist das nun das Ergebnis deines kleinen Sozialexperiments? Dass unsere Tochter eine Ãberdosis gefährlicher Drogen nimmt?»
«Sie sagt, sie hat es in der Schule bekommen.»
«Das glaube ich nicht. Sie hatte schon drei Wochen Ferien. AuÃerdem ist das eine gute Schule. Kinder aus Topfamilien, die sich kümmern. Nein, sie muss das Zeug in dieser Siedlung bekommen haben. Man weià doch, was da für Pack lebt. Man liest ja die Zeitung.»
«Max!» Topfamilien? Pack? Seit wann dachte Max so?
Er lieà sich nicht unterbrechen: «Oder dann hat sie das Zeug bei dir gefunden, in deiner Nachttischschublade?»
«Wieso denn bei mir?»
«Es wäre sonst das Einzige, was du nicht nimmst! Na, Lukas, hast du ihren Medikamentenschrank gesehen? Oder bist du es, der ihr das Zeug verschreibt? Ihr letzter Arzt hat sich nämlich irgendwann geweigert, neue Rezepte auszustellen. Sie braucht einen neuen Dealer, Lukas, du hast doch nicht etwa gedacht, sie sei endlich deinem Charme verfallen?»
«Ich muss doch sehr bitten!» Doktor Fankhauser sah aus, als sei ihm übel. Das erstaunte Erika. Und es beschämte sie. Waren sie so schlimm? Dass sogar ein Arzt, der schon alles gesehen haben musste, schockiert war? «Entweder wir besprechen jetzt die Behandlung Ihrer Tochter, oder Sie verlassen mein Büro.»
«Kann man mit dir denn ernsthaft reden, Erika? Oder bist du schon wieder blau?»
«Max!»
Er riss ihre Handtasche von der Stuhllehne und kippte den Inhalt auf Doktor Fankhausers Schreibtisch.
Lukas stand auf. «Max, jetzt reià dich zusammen!»
Max stieà ihn weg. «Ha!» Triumphierend hob er ein Parfümflakon hoch. «Na, dann prost!» Er schraubte den Verschluss auf und der Raum füllte sich mit dem Aroma von Allure . Wodka hat keinen Geruch, doch das war Max in dem Moment, als er den Flakon ansetzte, nicht bewusst. Entsetzt spuckte er die Flüssigkeit wieder aus und in hohem Bogen Doktor Fankhauser ins Gesicht.
«So», sagte der. Dann war es still. Umständlich zog der Arzt ein Stofftaschentuch aus seiner Hosentasche. Er nahm seine Brille ab, wischte sich erst über das Gesicht, bevor er seine Brille abputzte. Der Duft von Allure hing schwer über ihnen.
«O Gott.» Max schlug die Hände vors Gesicht. «Was habe ich getan ⦠was tue ich hier ⦠das ist ja furchtbar ⦠ich führe mich auf wie â¦Â» Er schaute auf und Doktor Fankhauser ins Gesicht. «Die Sorge um meine Tochter macht mich wahnsinnig», sagte er. «Ich weiÃ, das ist keine Entschuldigung, aber â¦Â»
Da war er wieder. Der Max, den Erika kannte. Beinahe schämte sie sich, dass sie so gelassen war. Sorgte sie sich weniger um Suleika als Max? Würde Doktor Fankhauser das auch denken?
«Nein», sagte dieser. «Das ist keine Entschuldigung. Ich muss Sie bitten, mein Sprechzimmer zu verlassen. Doktor Lukas, darf ich Sie bitten?»
Lukas nickte, stand auf und nahm Max am Arm.
Willig lieà dieser sich hinausführen. An der Tür drehte er sich noch einmal zu Erika um. «Wir sehen uns», sagte er, und es klang wie eine Drohung.
«So», sagte Doktor Fankhauser wieder. «Frau
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