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Das wahre Leben

Titel: Das wahre Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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in der Berghütte zurückgelassen hat. Ich hätte dort sterben … können, sagt sie immer.»
    Â«Und sie hat recht.» Wenn du dort gestorben wärst, hätte ich dich nicht gefunden. Und nicht wieder verloren.
    Â«Von mir aus», sagte Dante. «Aber darum … geht es doch nicht. Verstehst du, seit ich klein bin, war immer was. Der Krebs hat … meinen Vater vertrieben und später Nando. Er hat das Leben meiner … Mutter genauso zerfressen wie meinen Körper. Ich war … immer der kranke Junge, der Typ mit dem … Krebs. Niemand wagte in meiner Gegenwart zu atmen. Selbst wenn … eine Remission war. Gerade dann. Hielten alle den Atem an und warteten auf den nächsten Rückfall. Deshalb bin ich gleich ausgezogen, als es mir mal … länger gutging. Dann lernte ich Nina kennen. Nina wusste nichts über mich. Ich erzählte ihr auch … nur das Nötigste. Sie konnte sich nichts … darunter vorstellen. Das Einzige, was sie sagte, war: ‹Aber du hast … doch so schönes Haar!›»
    Â«Hast du doch auch», sagte Nevada.
    Dante grinste und fuhr sich über die Glatze. «Ich weiß. Unwiderstehlich. Frauen fliegen darauf. Also, die Remission, ich wohnte … nicht mehr zu Hause, ich war verliebt. Dann fuhren wir in die Berge. Ich war … zum ersten Mal in meinem ganzen Leben an einem Ort, in dem kein Krankenhaus in der Nähe war. An einem … Ort ohne Handy-Empfang. Ich hatte Kopfweh. Ein schlechtes Gefühl. Aber ich dachte, es wird doch … nicht ausgerechnet an diesem Wochenende etwas passieren. Es war doch nur für ein Wochenende! Ich wusste sofort, dass etwas … nicht stimmt – ein extrem … unangenehmes Gefühl, wenn du die Worte, die aus deinem Mund kommen, nicht erkennst. Du weißt, das etwas … nicht stimmen kann – aber du … weißt nicht, was es ist.»
    Nevada nickte. Sie erinnerte sich noch an das erste Einknicken ihrer Arme, das Versagen ihrer Beine. Nicht zu wissen, was mit ihr passierte, war schlimmer gewesen, als eine Diagnose zu bekommen.
    Â«Ich wusste, dass … ich sie mit dem falschen Namen anredete. Mein Kopf dachte ‹Nina›, mein … Mund sagte ‹Lucy›. Das klingt … noch nicht mal ähnlich! Und Nina rastete aus. Sie warf ihr Glas nach mir – und das machte mich glücklich. Mich hatte noch nie jemand körperlich … angegriffen. Niemand hat sich das je getraut … ich war ja schon … versehrt.»
    Nevada nickte. «Deine Mutter hat mich mal geohrfeigt», sagte sie.
    Dante grinste. «Das hat sie mir nie erzählt. Ich … kann es mir direkt vorstellen!»
    Â«Lieber nicht», murmelte Nevada.
    Â«Du verstehst mich, ich weiß, dass … du mich verstehst. Ich wollte nur ein ganz normales Arschloch … sein, das seine Freundin … betrügt.»
    Nevada nickte. Sie selber würde nie mehr eine ganz normale Zicke sein, die an ihrem Freund herumnörgelt. Er konnte gesund werden. Sie nicht. «Also gut», sagte sie. «Alles klar. Dann geh nach Chicago und werde ein ganz normales Arschloch. Aber eins sag ich dir jetzt schon: Wenn du deine Freundin betrügst, bringt sie dich um. Und dann wär die ganze Mühe umsonst gewesen.» Ihr Ton war leicht. Ihre Augen brannten.
    Dante lachte. Es klang erleichtert. «Du», sagte er. «Du, du, du bist die.» Er nahm sie in die Arme. Er küsste sie.
    Nevada schloss die Augen über ihren Tränen.
    Â«Lucy …», murmelte er später, schon beinahe wieder eingeschlafen. «Lucy ist doch … die erste Frau. Die allererste, die … Traumfrau … Weißt du … vielleicht hab ich dich … gemeint, bevor ich dich kannte. Bevor ich … wusste, wie du … heißt. Nannte ich dich… Lucy.»
    Nevada wandte sich ab. Einmal mehr wünschte sie sich, sie könnte ohne großes Getue aufstehen und das Zimmer verlassen. Mit Mühe brachte sie ihre Stimme unter Kontrolle. «Sehr charmant, vielen Dank», sagte sie leichthin. «Lucy – die älteste Frau der Welt.»
    Â 
2.
    Â«Machen wir uns nicht zu früh Hoffnungen», sagte Annabelle beschwörend. Sie hatte sich schon zu oft zu früh Hoffnungen gemacht und konnte doch nicht anders.
    Â«Der Herr Doktor würde es nicht vorschlagen, wenn er nicht daran glaubte», sagte Frau Furrer tröstend. Vor der Konsultation mit Doktor Fankhauser

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