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Das wahre Leben

Titel: Das wahre Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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kommen, kommen Sie bald. Der Tumor darf nicht noch größer werden.»
    Â«Danke, Herr Kollege!» Doktor Fankhauser beendete das Programm und klappte den Laptop zu.
    Â«Was ist denn das für ein Typ», sagte Annabelle enttäuscht. «Kann man den ernst nehmen? Ich mag ihn gar nicht.»
    Â«Ich auch nicht», sagte Frau Furrer. «Aber Doktor Fankhauser hat es mir sehr gut erklärt. Warum gerade das für ihn spricht.» Hilfesuchend sah sie ihren Vorgesetzten an. «Sagen Sie es noch mal, Sie können das besser.»
    Â«Ich vertraue ihm gerade wegen seiner … wie soll ich sagen … Andersartigkeit. Seine spezifische Störung verhindert, dass er von ganz normalen menschlichen Regungen beeinflusst wird, die bei anderen Ärzten immer ein gefährlicher Faktor sind. Er kennt kein Ego. Er will sich nicht über seine Patienten profilieren, er benutzt sie nicht. Sein Ehrgeiz richtet sich nicht nach außen. Es geht ihm nicht darum, dass seine Arbeit wahrgenommen wird. Ihm geht es tatsächlich nur um die Sache, um seine Methode. Er ist ein Tüftler, ein Bastler und er ist wirklich unglaublich geschickt. Er hat an dem Kongress eine Aufzeichnung gezeigt von einem solchen Eingriff. Diese Präzision – so etwas habe ich noch nie gesehen. Habe ich nicht einmal für möglich gehalten.»
    Plötzlich piepste der Computer wieder. Doktor Fankhauser klappte ihn auf.
    Â«Noch etwas», sagte Doktor Mizrahis Roboterstimme. «Ich glaube nicht, dass die Sprechstörung des Patienten etwas mit dem Tumor zu tun hat.»
    Â«Heißt das … ich werde auch … nach der Operation nicht … lügen können?»
    Â 
3.
    Â«Frau Nevada, Frau Nevada!» Dijana hüpfte ihr auf dem Weg zur Turnhalle entgegen. Sie trug ein gelbes Plastikschwein mit dem Aufdruck einer deutschen Bank. «Wir haben gesammelt! Für Dante!» Sie hielt das Schwein an ihr Ohr und schüttelte es. «Es ist leider nicht so viel …»
    Â«Aber am Wochenende ist doch unser Quartierfest», sagte Rebecca. «Wir könnten Kuchen verkaufen. Ich kann sehr gut backen.»
    Â«Ja, aber kannst du ihn auch essen?», knurrte Elma.
    Nevada musterte sie prüfend. Das Mädchen wirkte noch angespannter als sonst. Nevada dachte an eine Handgranate. Innerlich stellte sie ihr Programm um. Entspannungsübungen am Anfang. Pranayama mit Verlängerung des Ausatmens. Kumbakha.
    Â«Das ist lieb von euch», sagte sie. «Dante wird sich freuen, das zu hören. Aber ihr müsst euch nicht darum kümmern. Die Operation ist bezahlt.»
    Â«Dann behalten wir das Geld!» Elma versuchte, das Sparschwein an sich zu nehmen. Dijana war schneller.
    Â«Hallo», sagte eine schüchterne Stimme. Ein dünnes Mädchen mit dünnem Haar stand vor ihnen. Sie lächelte erwartungsvoll.
    Nevada erkannte sie nicht gleich. «Lana?»
    Â«Ja, ich … also, mein Rücken tut nicht mehr weh, und da dachte ich, ich komme wieder.»
    Â«Zur zweitletzten Stunde, Mongo?» Elma packte die Griffe von Nevadas Rollstuhl und schob ihn von Lana weg. Doch Nevada drehte ihn wieder zurück. Sie nahm Elmas Hände in ihre und hielt sie fest. Elmas Finger zuckten wie frischgefangene Fische. Es kostete Nevada ihre ganze Kraft, sie festzuhalten.
    Â«Elma! So redest du nicht in der Yogastunde, auch nicht vor und nach der Yogastunde.»
    Â«Also wann? Nach der Yogastunde ist vor der Yogastunde.»
    Â«Also nie – du hast es erfasst! Und jetzt entschuldige dich bei Lana.»
    Elma zog ihre Hände zurück und steckte sie in die Hosentaschen. «Ja, schon gut», murmelte sie. «Tut mir leid, Lana, ich sag das halt so.»
    Â«Kein Thema.»
    Â«Schön, dass du wieder da bist, Lana. Musst du dich noch umziehen? Dann geh mit Dijana zu den Kabinen», sagte Nevada.
    Elma zog sich nie um. Sie übte immer in ihrer Straßenkleidung, die schwarz und dehnbar war. Sie schob Nevada in die Turnhalle. «Meinen Sie, die andere kommt auch wieder?», fragte sie. «Die Dicke?»
    Â«Du meinst Suleika?»
    Â«Ja. Das war brutal, wie die zuckte und schäumte.» Elma schüttelte sich. Dann wandte sie sich ab und zündete die Kerze auf dem Altar an.
    Nevada dankte ihr mit einem Nicken. «Legst du noch die Matten aus?»
    Â«Wo ist denn Stefanie, macht die das nicht?»
    Â«Es ist egal, wer es macht.» Nevada schaute sich um. Stefanie war nicht zu sehen. Sonst war

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