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Das wahre Leben

Titel: Das wahre Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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würde sie ihnen die administrativen Probleme erklären. Sie hatte sie in ein Konferenzzimmer gebeten, wo sie Kekse und Kaffee servierte.
    Â«Frau Furrer kennt Dante, seit er klein ist», erklärte Annabelle. «Sie war die Sekretärin von Doktor Maurer, seinem Onkologen.»
    Â«Sie haben extra den Job gewechselt, damit Sie mich öfter sehen können, was?» Dante stieß Frau Furrer mit dem Ellbogen an.
    Â«Du frecher Kerl!» Frau Furrer kicherte mädchenhaft. «Vielleicht sollten wir auch mit ihm noch einmal sprechen. Mit Doktor Maurer, meine ich.»
    Â«Das würde mich sehr beruhigen», sagte Annabelle. «Schließlich ist der Krebs bisher immer wieder zurückgekommen. Wer sagt denn, dass es diesmal anders ist?»
    Â«Weil es ein … neuer Krebs ist, das weißt du doch.»
    Sie bildeten zwei Lager: die Frauen, die nur das Beste für ihn wollten. Und Nevada. Plötzlich konnte sie das Misstrauen der Älteren nachvollziehen. Sie hatten ja recht: Nevada wollte nicht das Beste für Dante, sie wollte das Beste für sich selbst.
    Frau Furrer schob die Kekse zur Seite und legte einen Stapel weißer Ordner auf den Tisch. «Es tut mir leid, dass ich das sagen muss, aber mit der Krankenkasse, das wird schwierig. Ich habe schon Vorabklärungen gemacht. Es ist ein kompliziertes Verfahren, wir müssen zweifelsfrei belegen können, dass niemand in der Schweiz oder in Europa eine vergleichbare Operation durchführen kann …»
    Â«Aber das ist doch so, ich meine, sonst hätten wir doch längst …»
    Â«Das ist auch nicht das Schwierigste. Das Problem ist, dass wir eine reelle Heilungschance nachweisen müssen. Das ist nicht so einfach, der amerikanische Arzt hat erst fünf solche Operationen durchgeführt, erfolgreich zwar, aber das anerkennen sie nicht als Beweis. Doch je länger wir warten, desto geringer werden die Chancen. Es ist ein Teufelskreis. Tut mir leid, dass ich so offen sein muss.»
    Â«Ist schon gut.» Annabelle nahm sich noch einen Keks und brach ihn in kleine Stücke. «Ich höre es lieber jetzt und von dir, als mir große Hoffnungen zu machen und dann doch enttäuscht zu werden.»
    Frau Furrer seufzte. «Und es ist leider so, dass die Amerikaner kein Skalpell in die Hand nehmen, bevor sie die Kreditkarte nicht durchgezogen haben. Die schenken einem gar nichts. Außer es nützt ihnen was. Dann treten sie ganz groß auf.»
    Â«Immer so radikal, Frau Furrer!»
    Dante zwinkerte Nevada zu. Nevada lächelte. So kannte sie Frau Furrer gar nicht.
    Â«Die Sonntagszeitung hat vorgeschlagen, einen Spendenaufruf zu starten», sagte Dante. «Ich weiß aber nicht, ob das was bringt. Und wie lange das dauern würde.»
    Annabelle schob Nevada den Teller mit den Keksen zu. Plötzlich diese Freundlichkeit. Annabelle wusste auch, dass Nevadas Tage gezählt waren, wenn Dante erst gesund war. Jetzt konnte sie es sich leisten, freundlich zu sein.
    Trotzig nahm Nevada einen Keks und biss hinein. «Ich habe Geld», sagte sie mit vollem Mund. «Ich kann die Operation bezahlen.» Als könnte sie sich freikaufen von ihren Gedanken.
    Annabelle schaute sie an, als dächte sie genau das.
    Â«Auf gar keinen Fall», sagte Dante. «So weit kommt es noch. Ich bin doch nicht dein käuflicher toy boy !»
    Â«Was soll ich denn tun? Ich hab nun mal einen teuren Geschmack …»
    So konnten nur sie miteinander reden. So würden sie nicht mehr miteinander reden können, wenn Dante erst gesund war. Wenn sie der einzige Krüppel war im Haus. Dante würde sie rücksichtsvoll behandeln, einfühlsam auf sie eingehen, bis ihm diese Rolle zu anstrengend wurde und er sie verließ. Es kam Nevada jetzt schon vor, als spiele sie eine Rolle. Die Rolle der tapferen Behinderten, der selbstlosen Freundin.
    Â«Sie haben ja keine Ahnung, was so etwas kostet», sagte Frau Furrer.
    Â«Sie haben keine Ahnung, wie viel Geld ich habe.» Nevada bluffte. Sie wusste es selber nicht. Aber so ein halbes Freudenhaus, das musste doch genug abwerfen. «Ich muss natürlich noch mit meiner Schwester reden», sagte sie. «Aber das Geld ist da. Es liegt für mich bereit. Ich hab mich bisher einfach nicht darum gekümmert.»
    Â«Ah, Ihre Schwester! Natürlich!» Frau Furrer presste die Lippen zusammen.
    Â«Oh, meine Operation wird durch ein Puff finanziert, das wird ja immer besser.

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