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Das wahre Leben

Titel: Das wahre Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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sie immer eine der Ersten.
    Elma rollte die Matten aus. Sie übernahm Stefanies Anordnung eines offenen Ovals.
    Als Deniz hereinkam, ließ Elma die letzte Matte einfach fallen und ging zu ihr. Fürsorglich legte sie einen Arm um sie, beugte sich über sie, führte sie an ihren Platz. Elma wusste von der Schwangerschaft. Sie behandelte ihre Freundin wie eine Kranke. Nevada fragte sich, ob Deniz es sonst jemandem gesagt hatte. Ansehen konnte man ihr noch nichts. Eindringlich flüsterte Elma auf Deniz ein. Diese sah immer wieder zur Tür. Als Lana hereinkam, sprang sie auf, rannte ihr entgegen und schloss sie in die Arme. Elma beobachtete es skeptisch.
    Ach herrje, dachte Nevada, die plötzlich verstand. Deniz nahm Lana bei der Hand und führte sie zu Elmas Matte. Sie bückte sich, hob die unordentlich hingeworfene Matte auf und rollte sie neben der von Elma aus. Etwas ängstlich stand Lana vor Elma, schüchtern, gebeugt. Elmas Kiefern mahlten. Ihre Arme waren immer noch verschränkt. Deniz boxte sie in die Seite, zischte etwas. Nevada hörte die Worte «blöd» und «eifersüchtig». Schließlich saßen die drei im Schneidersitz nebeneinander. Elma in der Mitte, ein Felsklotz. Auf der einen Seite Lana, klein und schüchtern, am Rand des Ovals. Deniz zufrieden auf der anderen Seite, dem Rest der Gruppe zugewandt. Die Hände auf dem Bauch. Sukhasana, der einfache, der süße Sitz, mit gekreuzten Beinen. Nevada konnte nichts Einfaches sehen. Aber die Süße, die ahnte sie.
    Einen Moment lang war Nevada versucht, eine Partnerübung anzusagen, einfach um zu sehen, was passiert. Würde Elma die schmächtige Lana im Kopfstand hochhalten oder nach hinten fallen lassen? Sie ließ es. Die Mädchen hatten genug damit zu tun, sich selber zu vertrauen.
    Â 
    Nach der Stunde wartete Ted auf sie. Er sah im Vergleich zum letzten Mal regelrecht erholt aus. «Tut mir leid, aber Silvia, also Frau Siebenthaler möchte, dass du heute am Gruppengespräch teilnimmst. Ist das in Ordnung für dich?»
    Nevada war plötzlich sehr müde. In den letzten Tagen hatte die Fatigue sie verschont. Vielleicht hatte sie sich auch einfach höflich zurückgezogen, sich vor dem Schmerz verneigt und ihm den Vortritt gelassen. Doch das war wohl nur eine vorübergehende Höflichkeit gewesen. «Hab ich wirklich eine Wahl?», fragte sie.
    Â«Nein. Eigentlich nicht. Aber ich glaube, du musst dir keine Sorgen machen. Sie wirkte sehr versöhnlich.»
    Â«Und am Nachmittag haben wir ja noch die Sitzung, nicht?» Nevada schaute auf ihre Uhr. Es war Dantes letzter Tag hier, und sie konnte nicht bei ihm sein.
    Â«Ja, die findet auch noch statt, das geht nicht gut ohne dich. Es ist die Abschlusssitzung. Es geht um die Zukunft des Projekts.»
    Â«Und? Wie sieht es aus?»
    Ted zuckte mit den Schultern. «Ich hab es wohl aufgegeben, um offen zu sein. Also nicht das Projekt, sondern den Kampf darum. Je mehr ich mich bemühte, desto schlimmer wurde alles.»
    Â«Ja, das geht mir ähnlich.»
    Ted packte die Rollstuhlgriffe und begann zu schieben. Die Mädchen liefen zu zweit oder zu dritt vor ihnen her. Sie schauten neugierig zurück und unterhielten sich leise. Einige nahmen schmale Dosen aus ihren Taschen, Energy-Drinks, jemand zündete eine Zigarette an.
    Â«Willst du was essen oder trinken zwischendurch? Wir können kurz im Café haltmachen.»
    Â«Eine Cola mit Eis», sagte Nevada. «Und Zitrone.»
    Â«Wirklich?»
    Â«Ja – das ist das Beste. Gegen die Hitze und die Fatigue. Zwei auf einen Schlag.» Das hatte sie mit Dante herausgefunden, der ihr in den heißesten Tagen dieses Sommers immer wieder etwas Neues hingestellt hatte. «Aber geh besser in den Laden, in der Migräne haben sie nur dieses Alternativ-Kola, das funktioniert nicht so gut.»
    Â«Dafür haben sie dort Eis …»
    Â«Weißt du was, es ist egal. Lass es.» Tränen brannten in ihren Augen. Konnte nicht einmal irgendetwas einfach sein? Konnte sie nicht einmal bekommen, was sie wollte?
    Â«Marie und ich waren zwei Tage im Tessin», erzählte Ted. Manchmal war es ein Vorteil, wenn einem der Gesprächspartner nicht ins Gesicht sehen konnte. «Wir haben die Kleinen zu den Großeltern gebracht. Stefanie ist bei ihrem Vater. Ich habe es erst jetzt erfahren. Was los ist. Tut mir leid wegen Dante – ich meine, ich freue mich

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