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Das wahre Leben

Titel: Das wahre Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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passte zu seiner.
    Plötzlich war alles ganz einfach. Da war er, und da war sie, und zusammen waren sie ganz. Hirntumor und Nervenkrank, ein Paar wie aus einem Comicstrip. Zwei Karikaturen, die sich gefunden hatten.
    Dante blies die Backen auf und pustete. Nevada musste lachen. Er schien noch zu schlafen, jedenfalls waren seine Augen zu. Er pustete und pustete, als wollte er etwas vor seinem Gesicht wegblasen. Dann seufzte er tief und schlief weiter. Nevada war jetzt ganz wach. Schon fühlte sie sich verlassen. Dabei lag sie so nah bei ihm, wie sie nur konnte. Vorsichtig fuhr sie mit einer Hand über seine Haut, über den knochigen Arm, die schmale Brust. Der geschwollene, gerötete Knoten unter dem Schlüsselbein, wo sein Portakath eingesteckt gewesen war. Sie fühlte, wie unsicher seine Haut war, spröde, vorsichtig, empfindlich. Sie spürte, wie dünn er war. Seine Knochen lagen direkt unter der dünnen Haut. Er hatte am ganzen Körper kein einziges Haar. Sie legte ihr Gesicht auf seinen Bauch. Da lag sein Schwanz und schaute sie an. Nevada hatte nie etwas Schöneres gesehen. Sie war froh, dass sie die zweite Testrunde verweigert hatte. Sie wollte keine anderen Männer mehr berühren.
    Â«Hey …» Dantes Hände legten sich um ihren Kopf und zogen ihn zu sich hoch. «Guten Morgen», murmelte er an ihrem Mund.
    Â«Entschuldige», flüsterte sie. «Ich konnte nicht warten …» Sie dachte an die Hände, die sie berührt hatten, die Hände, die nicht seine waren. Dante lachte geschmeichelt. Er wusste nicht, wovon sie sprach. Er zog ihren Kopf zu sich hoch und küsste sie. Das war es, was sie gesucht hatte, was ihr gefehlt hatte, diese Lippen. Diese Lippen waren ihre Bestimmung. Die Aufgabe ihres Lebens war es, in diese Lippen zu sinken und nie mehr aufzutauchen, bevor sie nicht jede Zelle wiedererkannt hatte. Jeden Hautpartikel, jede Nervenzelle.
    Doch mit der Erregung kamen plötzlich die Ameisen zurück. Der Schmerz wetteiferte mit der Lust. Versuchte sie zu verdrängen. Sie war traurig, dass ihre Liebe nicht stark genug war, um die Krankheit zu besiegen, und gleichzeitig erleichtert. Sie waren Versehrte, beide.
    Dante richtete sich auf. «Hast du Hunger?», fragte er.
    Nevada musste überlegen. Hunger? Was war das? Wo musste sie diese Empfindung suchen? In ihrem Bauch. Es rumpelte.
    Â«Ja», sagte sie. «Essen wäre gut. Wie spät ist es überhaupt?»
    Dante sah auf sein Handy, das neben dem Bett auf dem Boden lag. «Vier Uhr.»
    Â«Morgens?»
    Dante lachte. «Nachmittags, Baby!»
    Sie mochte, wie er «Baby» sagte. Es klang absurd. Dieser junge, dünne Mann nannte sie Baby. Sie war zehn Jahre älter als er. Sie wog vermutlich zehn Kilo mehr als er. Und doch nannte er sie Baby. Und sie glaubte ihm aufs Wort, dass er auf sie aufpassen konnte. Dass er sich um sie kümmern würde.
    Dante schwang seine dünnen Beine aus dem Bett, stieg in seine Jeans und ging aus dem Zimmer, auf der Suche nach etwas zu essen.
    Â«Warte!»
    Zu spät. Schon stand er im Flur. Und blitzschnell war er wieder im Zimmer.
    Â«Was ist … denn … hier los?» Er wirkte verstört. «Da sind überall … nackte Männer!»
    Es war Zeit auszuziehen.

 
    Â 
    Â 
    Om Aditya Namah
    Etwas war anders. Sie wusste nicht gleich, was es war.
    Es fühlte sich leichter an, heller. Sie brauchte einen Moment,
    um das Gefühl zu erkennen: Sie war glücklich.
    Ich grüße die Morgensonne, das erste Licht des Tages,
    das die Reste der Dunkelheit vertreibt.

Erika
1.
    Â«Hey … du bist richtig gut.»
    Erika schaute auf. Der junge Mann aus dem Zendo stand vor ihr. Er hielt eine grüne Dose in der Hand, einen Energy-Drink. Nicht hier gekauft, dachte Erika.
    Â«Darf ich?»
    Bevor sie antworten konnte, saß er schon neben ihr. Er stellte die Dose ab und blätterte ohne zu fragen durch ihre Zeichnungen. Erika spürte etwas in ihrer Brust, sie wusste nicht, was es war. Es fühlte sich heiß an und eng. Schon wieder einer, der sich nicht an die Regeln hielt. Ihre alte Wut auf alle, die so unbekümmert vor sich hin lebten und auch noch damit durchkamen. Während sie am Ende immer allein zurückblieb. Erika atmete langsamer, sie zählte ihre Atemzüge, und die Wut zog sich knurrend zurück wie ein missmutiger Hund.
    Â«Entschuldige. Ich … heiße Dante.» Er streckte seine Hand

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