Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper

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hoch, und nun lachte niemand von uns mehr, während wir den Flußlauf hinunter um unser Leben liefen, an der nächsten Biegung einen Bach hochjagten, der dort in den Fluß mündete, rannten, rannten und hofften, daß unsere Verfolger weiter am Fluß entlang und nicht den kleinen Bach hochlaufen würden, bis wir schließlich an einem sumpfigen Fleck zwischen Bäumen ans Ufer fielen, Tossa neben uns, die kaum noch atmete.
    Ich spürte den Pfeil in meinem Körper, in meiner Lunge, spürte, wie mein Atem blubberte und meine Nasenlöcher sich langsam mit Blut füllten, den brennenden Schmerz, als wäre der Pfeil aus glühendem Eisen. Ich schluchzte und umkrampfte meinen Brustkorb, bis Chance mich schüttelte. »Sei still«, zischte er. »Du bist nicht verletzt. Sei still, oder wir sind tot.«
    Der Schmerz hörte nicht auf, aber ich wußte nun, daß er nicht von dem Pfeil rührte, sondern von einer anderen Verletzung. Ich hatte Schmerzen, weil Tossa Schmerzen hatte, gerade so, als wäre ich an ihrer Stelle. Es gab keine Erklärung dafür. Ich konnte es nicht einmal auf so etwas wie ›Liebe‹ schieben. Ich hatte Mandor geliebt und nie gespürt, wenn er sich verletzt hatte. Diese Gedanken kreisten in meinem Kopf, während ich meine heißen Tränen hinunterschluckte und daran würgte, um jeden Laut zu ersticken. Vom Süden her ertönte das Bellen der Fustigare, ein leiser werdender Mißklang, der sich den Fluß hinunter auf die Grenze zu entfernte. Ich hörte, wie Yarrel fragte: »Ist sie tot?« Und Chance antwortete, daß sie kaum noch atme.
    »Ein Heiler«, sagte ich. »Chance, ich muß einen Heiler finden. Wo?«
    Er brummte etwas in seinen Bart, was ich nicht verstand, deshalb packte ich ihn, um ihn zu schütteln. »Ich muß einen finden! Wo?«
    »Die Ruine«, stammelte er. »Hinten, wo wir zum Fluß gekommen sind. Die Karte zeigte eine Hand, eine Hand, eine Kugel und eine Trompete …«
    Die Hand war das Symbol für Heiler. Die Kugel gehörte einem Priester und die Trompete einem Herold.
    »Ich gehe!« Yarrel warf bereits sein Gepäck ab. Ich stieß ihn auf die Erde neben Tossa zurück.
    »Hilf ihr hier, wenn du kannst. Ich kann nicht. Es schmerzt mich zu sehr. Wenn ich nicht gehe, sterbe ich. Sie werden nicht nach einer einzelnen Person Ausschau halten, allein …«
    »Deine Bandagen«, wandte Yarrel ein. »Ein Blick auf dich, und die Pfandleiher wissen, mit wem sie es zu tun haben.«
    »Kaum«, zischte ich. Ich riß mir die Gazebinde vom Kopf, tauchte sie in das schlammige Flußwasser und wrang sie aus, bevor ich sie mir so um den Kopf wand, daß sie mein Gesicht bedeckte. »Deinen Umhang«, forderte ich Chance auf. Bevor er protestieren konnte, hatte ich den Umhang bereits in der Hand.
    »O Hochkönig des Spiels!« stöhnte er. »Nimm das ab, Peter. Von allen verbotenen Dingen ist dies das Verbotenste.«
    »Und trotzdem tun wir sie«, zitierte ich wütend. »Rasch, der Ruß der Laterne für das Gesicht …«

    Er stocherte mit den Fingern in der Öffnung der Laterne, fluchte, als er sie sich an dem heißen Glas verbrannte, und fluchte wieder, als er mit rußigen Fingern über die schmutzige Gaze fuhr, um darauf Nase, Augen und den geschlitzten Mund eines Nekromanten zu malen. »Oh, bei der Kälte! Du begehst ein furchtbares Verbrechen.«
    Ich wandte mich von ihnen fort, von ihr, die so hilflos neben ihnen lag, und sagte ihnen, daß sie Tossa über den Fluß bringen sollten, sobald sie mich wiederkommen sähen. Es hatte keinen Sinn, den Heiler hierher in das Land der Unveränderlichen zu bringen. Dann rannte ich los, ohne zu merken, daß ich rannte, und dachte an nichts weiter als an die Hand in der Ruine, den Heiler, der dort weilte.
    Das Flußwasser spritzte mir an den Beinen hoch. Das stoppelige Gras des Ufers verschwand immer weiter hinter mir, bis schließlich die Ruine hoch oben auf dem steinigen Hügel vor mir auftauchte. Ich spürte einen kalten Windhauch, und mit der Kälte kam eine gewisse geistige Klarheit, die mir sagte: ›Du hilfst Tossa nicht damit, wenn du hier in einem Spiel gefangen wirst. Sei besser langsam.‹ Die Wahrheit dieses Gedankens ließ mich innehalten. Fröstelnd umkreiste ich den Hügel, um die Domäne zu schätzen, maß die Kälte über meiner rechten erhobenen Hand, sechshundert Schritte, vielleicht etwas weniger. Eine kleine Domäne. Irgend jemand in ihrem Zentrum sammelte gerade soviel Kraft, wie man vielleicht braucht, um in die Luft zu steigen und die Gegend auszuspähen, wie