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Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Erfahrung. Wir verbrachten sieben Tage und sieben Nächte zusammen. Tossa wurde mein Atem, mein Augenlicht, meine Musik. Ich hatte nur noch Augen für sie, hörte nur noch sie, füllte mein Innerstes mit ihrem Geruch, der warm war, animalisch, wie ein Ofen voll Brot. Sie war einfach ein Mädchen. Ich kann keine großartigen Dinge in sie hineindichten. Trotzdem wurde sie Sonne und Gras, Wind und das Blut, das in meinen Adern floß. Ich glaube nicht, daß sie etwas ahnte. Und wenn, hätte es sie nicht gekümmert. Sieben Tage. Ich hätte sie nicht berührt, außer um ihr die Hand beim Klettern zu reichen, ihren Namen nichts anders als anbetend geflüstert …
    Bis wir am siebten Tag unserer Reise in der Abenddämmerung an die Grenze des Gebietes kamen, das die Unveränderlichen ihr eigen nannten. Wir standen auf einem großen Felsenbuckel im Schatten stachliger, verzwirbelter Bäume und schauten den langen Abhang hinunter auf einen Fluß, der sich, rot in der untergehenden Sonne, zwischen Sandbänken hindurchschlängelte und der so breit wie ein Halbtagesmarsch, aber nicht mehr als knöcheltief war. Weit entfernt am gegenüberliegenden Ufer warf eine verfallene Ruine, Überreste einer früheren Stadt oder Festung, lange Schatten, und Chance kramte die Karten hervor, um nachzusehen, wo wir waren. Wir kauerten uns darüber und merkten erst nach einem Augenblick, daß Tossa nicht mehr bei uns war. Sie stand auf einer Anhöhe und blickte stirnrunzelnd auf den Pfad zurück, den wir gekommen waren.
    »Männer«, sagte sie. »Mehrere.« Sie setzte das Glas wieder an die Augen und forschte zwischen den Bäumen, an denen wir erst kürzlich vorbeigekommen waren. »Auf unserer Spur. Rätsel sagte doch, sie würden uns nicht folgen!« Ihre Stimme klang erschreckt.
    Chance lieh sich das Glas. »Schlagen sie dort ihr Nachtlager auf? Schwer zu sagen. Man sieht kein Feuer, aber sie sind auch nicht mehr unter den Bäumen hervorgekommen. Aha, Jungen, ein Waffenträger. Und ein Tragamor.«
    »Aber innerhalb unserer Grenzen sind sie doch machtlos!« rief Tossa. Trotzdem hörte sie sich immer noch ängstlich an.
    Chance nickte. »Jaja, aber sie haben Schwerter, Speere und Fustigare, die unsere Spur aufnehmen können. Sie besitzen mehr Kräfte als wir. Und die Grenze ist zu nahe. Unten am Fluß, stimmt’s?«
    Tossa bejahte. Yarrel überlegte, das Gesicht in angestrengte Falten gelegt. »Am besten, das Mädchen macht sich seitwärts aus dem Staub, während wir zum Fluß gehen. Sie werden ihr nicht folgen. Der Fluß wird die Fustigare verwirren. Sie haben doch keinen Seher bei sich? Oder einen Unterherold?«
    Chance sagte ihm, er sehe keinen, aber Tossa wollte von Yarrels Vorschlag nichts hören. Sie hatte den Auftrag bekommen, uns zur Grenze zu führen, und das würde sie auch tun. »Am besten, wir beeilen uns, zum Fluß zu kommen, bevor sie hier oben sind und feststellen, welchen Weg wir genommen haben.«
    Als wir den Hang hinab zum Flußbett liefen, dachte ich seltsamerweise über die Grenze nach und was sie für die Menschen bedeutete, die hier lebten. Sie sind nichts als Bauern, dachte ich, nur auf die Kraft ihrer Arme und ihren Verstand angewiesen. Kein Waffenträger konnte sich in diesem Gebiet wie ein Falke in die Lüfte schwingen, kein Tragamor konnte die Steine unter unseren Füßen bewegen, damit wir stolperten und stürzten. Hier waren wir ihnen fast gleich, keine frostige Domäne würde um uns entstehen, aufbrechend wie eine häßliche Blume, mit uns allen im Mittelpunkt ihrer Blüte. Ich lächelte beinahe. Heute krampft sich in mir alles zusammen, wenn ich an dieses Lächeln denke, diesen plötzlichen unüberlegten Glauben daran, daß wir und diejenigen, die uns folgten, ebenbürtig seien. Wir galoppierten beinahe fröhlich den Abhang hinunter in den Fluß hinein, während die Dämmerung sich über uns senkte. Chance murmelte, daß wir ein Stück im Wasser entlanglaufen und dann unbemerkt wieder in das Land der Unveränderlichen abbiegen sollten. Das Wasser umspritzte unsere Füße, Tossa streckte die Hand aus, um mich zu packen und mit sich zu ziehen. Als sie zu Boden stürzte, dachte ich, sie sei gestolpert. Ich neckte Tossa wegen ihrer Tölpelhaftigkeit, und erst als ich sie ungeduldig mit dem Fuß anstieß, um sie zum Aufstehen zu bewegen, bemerkte ich den gefederten Schaft, der aus ihrem Rücken ragte. Ich schrie laut, und der Ton blieb in der Luft um uns hängen wie ein schwerer Geruch. Chance rannte herbei, hob Tossa

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