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Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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meine Augen in die Ferne gerichtet, und trotzdem spürte ich die Anziehungskraft ihres Blickes. Priesterinnen besitzen diese Kraft, ebenso Könige. Manche nennen dieses Talent ›Folgemir‹, andere ›Betörung‹. Dazzle besaß mehr von dieser Kraft, als ich bis jetzt bei einer Person erlebt hatte, deshalb vermied ich es, ihr ins Gesicht zu sehen.
    »Kommt, Nekromant!« rief sie. »Tretet näher, damit wir Eure Botschaft in Ruhe anhören können …«
    »Mitnichten werde ich das tun, Sprecherin der Götter. Die, deren Namen ich genannt habe, soll zu mir kommen, damit sie Himaggerys Botschaft hören kann.« Die Heilerin kletterte vorsichtig den Steinhügel zu mir herab. Als sie dicht bei mir war, flüsterte ich: »Ihr sollt mit mir kommen, Heilerin, um einen Wunsch des Zauberers zu erfüllen.« Sie folgte mir, als ich mich abwandte, aber die Priesterin beabsichtigte keineswegs, uns so einfach gehen zu lassen.
    »Kommt doch zu mir, Nekromant, damit ich sehen kann, ob die Nachricht wirklich echt ist …« Ihre Stimme klang süß, süß wie Honig, schmeichelnd und von magischem Zauber. Fast hätte ich mich umgedreht, ohne nachzudenken. Die drei besaßen nicht die Kraft des Weitsehens, aber die Verkleidung hielte einem näheren Augenschein nicht stand, wie Chance richtig gewußt hatte. Also mußte ich meine vorbereitete List anwenden. Ich drehte mich zu dem Steinhügel um, auf dem die Priesterin stand.
    »Mein Gebieter, der auch Euer Gebieter ist, hat mich gewarnt, daß Ihr nicht gleich bereit sein würdet, seinen Willen zu erfüllen. Deshalb hat er mir geraten, mir die Zeit zu nehmen und Euch, solltet Ihr mir lästig fallen, Euren Tod zu zeigen …« Und ich hob die Hand, wobei der Ärmel zurückglitt und meinen bleichen Arm enthüllte, um auf den Fensterspalt hinter ihnen zu deuten. Ich hatte Glück. Gerade als die drei sich umdrehten, packte der Wind mein Hemd und bewegte es wie etwas Lebendiges oder Untotes zwischen den Steinen. Wieder ließ ich den Geisterruf ertönen. Die Priesterin erschauderte. Ich konnte es selbst da, wo ich stand, erkennen und wußte jetzt, daß sie zu denjenigen gehörte, die Grund hatten, sich vor dem Tod zu fürchten. Ich führte Seidenhand weg. Hinter mir hörte ich eine verstörte Stimme rufen:
    »Der Schatten, den Ihr gerufen habt, ist immer noch da, Nekromant. Wollt Ihr ihn nicht entfernen?«
    »Der Schatten bleibt nur für eine kleine Weile, Sprecherin der Götter. Schlaft jetzt. Morgen früh wird er verschwunden sein.« Und er würde verschwunden sein. Ich hatte nicht vor, ihnen meine List zu verraten. Die Heilerin folgte mir schweigend, bis wir nahe am Fluß waren. Ich deutete auf die Stelle, wo Yarrel und Chance, einen dunklen Fleck zwischen sich, etwas entfernt warteten. Sie rannte zu ihnen. Ich versuchte etwas zu sagen, ihr zu befehlen, aber mein Körper war plötzlich wie erstorben, als ob die ganze Kraft, die mich in die Ruine und zu der Maskerade getrieben hatte, verschwunden sei und mich völlig ausgelaugt zurückgelassen hätte. Ich fühlte blankes Entsetzen, Atemlosigkeit, eine schmerzende Leere, stürzte zu Boden und hörte dabei die Stimme der Heilerin, die aufschrie: »Sie ist tot. Tot.«

 
3
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Der Zauberer Himaggery
     
    Ich erwachte und spürte die Hände der Heilerin auf meiner Brust, und mein Herz schlug, als würde es von ihnen umschlossen. Eine rätselhafte Botschaft schien sich zwischen meinen und ihren Augen auszutauschen, die vom nächtlichen Dunkel beschattet waren. »Nun, dieser lebt«, sagte sie, »und er ist kein Nekromant. Und es gab – dafür verbürge ich mich – auch niemals die Botschaft irgendeines Zauberers, die dich zu mir geführt hätte. Warum hast du mich zu ihr gebracht?« Sie wies mit dem Kinn zu dem Platz, wo Tossa lag, fest in ihren Umhang gewickelt, nichts als ein lebloser Packen. »Selbst wenn sie noch gelebt hätte, als ich kam, hätte ich sie nicht heilen können. Sie gehört zu den Unveränderlichen und ist für mein Heilen nicht offen.«
    Ich entwand mich ihren Händen. »Ich dachte, wenn wir sie aus ihrem Gebiet herausbringen …«
    »Nein, nein«, erwiderte sie ungeduldig, mit einer verzweifelten Geste, die ich später noch oft sehen sollte. »Nein. Sie tragen es in sich, genauso wie wir unsere Talente in uns tragen. Nicht alle von ihnen, aber dieses Mädchen war gegen jemanden wie mich fest gepanzert.«
    »Ihr könnt das erkennen? Obwohl sie tot ist?«
    »Sie ist gerade erst gestorben. Besäße ich außerordentliche Kräfte, und

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