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Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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gebraucht werden, als wir es tun. Als ich die alten Bücher las, dann ältere und ältere, merkte ich, wie sich die Bedeutung der Worte veränderte. Ich hörte auf, mich als Seher zu betrachten, und wurde ein HISTORIKER.« Er schürzte selbstironisch die Lippen, als ob wir ihn nicht zu ernst nehmen sollten. Seidenhand allerdings nahm alles im Leben ernst.
    »Das ist kein Name aus dem Index, Meister. Ich kenne alle Namen aus dem Index, jeden einzelnen, und dieser ist nicht …«
    »Ich weiß«, beruhigte er sie. »Natürlich weiß ich das. Aber er würde doch hineinpassen, oder? Das Wort ist nicht unverständlich. Jeder von euch wußte sofort, was damit gemeint ist.«
    »Ja«, sagte Yarrel, »bei den Bauern gibt es welche, die sich Vegetarier nennen, weil sie sich darauf versteift haben, nur Gemüse zu essen. Und Bibliothekare, die es als ihre Aufgabe betrachten, Bücher zu bewahren. Also könnte ein Historiker jemand sein, dessen Streben es ist, Historie … zu bewahren?«
    »Aber es steht nicht im Index«, beschwerte sich Seidenhand. »Es hat nichts mit Talenten zu tun …«
    »Aber natürlich«, sagte der alte Mann. »Man braucht ein gewisses Talent, um lesen, studieren und sich erinnern zu können.«
    »Das sind keine TALENTE«, erwiderte sie. Windlow zuckte die Schultern. »Heute vielleicht nicht mehr. Doch früher waren es vielleicht welche. Historie. Geschichte. Die Geschichte des Spieles. Der Welt. Warum wird man ein König? Warum sind Magier das, was sie sind? Wer war der erste Unveränderliche, und woher kam er?«
    »Ihr sprecht über Religion«, warf ich ein. »Das ist alles Religion.«
    »Tja, mein Junge, ich dachte nicht so, verstehst du. Ich dachte, wenn man eine Frage hat und eine stimmige Antwort darauf findet, sei das keine Religion. Ich dachte, dann handle es sich um Geschichte. Doch die meisten Spieler denken haargenau wie du, und so stellte es sich heraus, daß ich überhaupt kein Historiker war. Ich war ein KETZER.«
    Ich machte unwillkürlich das diagonale Zeichen, um Böses abzuwehren. Ich glaubte keinen Augenblick lang, daß Windlow ein Ketzer war, aber ich handelte unbewußt. Er trug weder Hörner, noch troff Säure von seinen Zähnen. Jeder wußte, daß Ketzer so aussahen. Ich krümmte mich unter dem mitleidigen Lächeln, mit dem er mich bedachte. »Ich glaube nicht, daß Ihr ein Ketzer seid«, sagte ich. »Wirklich nicht.«
    »Nett von dir«, erwiderte er trocken. »Ich weiß das zu schätzen. Ich wünschte, der Hochkönig nähme deine Meinung als Tatsache hin, aber er ist ein sehr religiöser Mensch. Trotzdem – wenn irgend jemand genug Ranzelmänner in die Welt hinausschickte, um nach dem Verlorenen zu suchen – vielleicht würde einer von ihnen mit einer Antwort zurückkehren. Ach, ich merke plötzlich, wie müde ich bin …«
    So verließen wir ihn, damit er im Sonnenschein ein Nickerchen halten konnte, umgeben von Kräuterduft, Vogelgezwitscher, dem klatsch! klatsch! der nassen Wäschestücke der Waschfrau und dem fernen Rufen der Hirtenjungen auf den Weiden.
    »Weißt du, ich verstehe, was er mit den verschiedenen Bedeutungen eines Wortes meint«, sagte Yarrel. »In dem Dorf, wo ich als Kind lebte, nannten wir es den ›Trampelnden Tod‹, wenn die Spieler in Kampfordnung durchmarschierten. In Mertynhaus lernten wir es die Schlachtdomäne des Wahren Spiels zu nennen.«
    »Ich lernte es als Kind das Wahre Spiel zu nennen«, sagte Seidenhand. »Doch als die Steine durch das Dach unseres Hauses donnerten, nannte ich es Tod.«
    Was sie sagten, stimmte. Wenn es Yarrel gewesen wäre, der die Kriegsöfen unter der Peitsche hätte zusammenbauen müssen, hätte ich es nicht das Wahre Spiel genannt. Als Mandor während des Festivals mit mir spielte, dachte ich daran nicht als ein Wahres Spiel, sondern nannte es bei mir selbst Verrat. Doch etwas wunderte mich immer noch. »Wieso weiß er, daß es ein solches Buch gibt?« fragte ich. »Um die vielen Ranzelmänner auf die Suche danach zu schicken … Wie kann er das wissen?«
    »Peter, manchmal glaube ich, du denkst kein bißchen nach«, klagte Yarrel. »Der Alte ist ein Seher. Das sagte er uns doch. Er hat die Sache gesehen, nach der er sucht, vielleicht sogar in seinen eigenen Händen, irgendwann in der Zukunft, vielleicht hier an diesem Ort, was möglicherweise ein Grund sein könnte, weshalb er uns nicht zu Himaggery begleiten will.«
    Der alte Mann war uns gegenüber so freundlich gewesen, so verschmitzt mit seinem Zwinkern und so humorvoll

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