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Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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zuvor jemanden gesehen, der so alt war, so klapprig und gebrechlich. Sein Gesicht war verrunzelt wie ein im Faß gelagerter Apfel. Doch als er uns anlächelte, merkten wir, daß sein Geist keineswegs getrübt war, denn sein Blick funkelte uns an, im vollen Bewußtsein darüber, wer wir waren.
    »Aha! Hat euch mein alter Schüler, der Hochkönig, endlich freigelassen? Ich fragte mich schon, wie lange er meine Gäste diesmal bei sich behält. Das letzte Mal konnte ich von Glück sagen, daß ich sie überhaupt irgendwann zu Gesicht bekam. Wißt ihr, er beschützt mich nämlich.« Er zwinkerte heftig und setzte eine ernste Miene auf. »Er sagt, daß ich seiner Meinung nach viel Schutz brauche.« Und er verdrehte die Augen wie ein Clown himmelwärts.
    Seidenhand lachte, setzte sich neben ihn und nahm seine Hand in die ihre. Wir übrigen machten es uns einfach im Sonnenschein gemütlich und warteten, bis Windlow bereit wäre, unsere Fragen zu beantworten oder zu uns zu sprechen, ganz, wie er wollte. Eine friedliche Atmosphäre umgab uns, und ich berichtigte meinen früheren Gedanken an Einsamkeit. Eher Friede. Zufriedenheit. Eine große Stille, in der das Gegacker der Hühner oder die Waschfrau, die eilig über den Hof raschelte, überhaupt nicht als Störung empfunden wurden.
    »So«, sagte der alte Mann, »jetzt berichtet mir alles, von überall her. Mein Talent war nie besonders groß, und in letzter Zeit reicht es nicht mehr weiter als bis zum Küchengarten. Ich sehe eine Insektenplage auf uns zukommen, aber erst im Spätsommer.« Wieder zwinkerte er und zog diese Clownsgrimasse, und diesmal verstand ich, was sie bedeutete, nämlich Schutz für die ernsteren Gedanken, die somit harmlos maskiert daherkamen, aber tiefgründig wie Meere waren. Er fing meinen Blick auf und sagte sehr leise: »Du kannst unbesorgt sprechen, mein Junge. Hier werden deine Gedanken nicht ausspioniert. In meinem Garten hat heute kein Dämon Zugang.«
    Während Seidenhand also sein Handgelenk hielt, um sich mit seinen Arterien zu beschäftigen (sie erklärte es uns später), erzählten wir ihm alles, was wir wußten und über die Welt außerhalb vermuteten. Besonders ausgiebig erzählten wir von der Leuchtenden Domäne und Himaggerys Einladung. »Er braucht Euch, Herr. Er sagt, wir sollen Euch sagen, wie sehr er Euch braucht und daß jetzt die Zeit gekommen sei, da Ihr …«
    Er schwieg eine Weile, als er diese Worte hörte, bevor er sich mit seiner freundlichen Stimme anschickte, über die Entfernung zu sprechen, die Anstrengung der Reise und den Hochkönig. Wir wußten alle, daß davon nur zählte, was er über den Hochkönig sagte, und ebenso wußten wir alle, daß der Hochkönig nicht beabsichtigte, ihn gehen zu lassen. »Prionde war früher mein Schüler, ein stolzer, hochmütiger Junge«, sagte Windlow. »Er forderte meine Liebe, meine Verehrung. Was ist das Talent eines König schließlich wert, wenn es keine Verehrung entfachen kann? Ich glaube, er wußte sogar damals schon, daß er König werden würde. Doch was ist ein Lehrer wert, den man herumkommandieren kann wie ein zahmes bunwit? Was taugt ein Seher, der blind für die Eigenschaften derer ist, die um ihn sind? Ich konnte für ihn nichts anderes tun, als ihn zu lehren. Er brachte mir Respekt entgegen, aber kein Verständnis. Er begriff nicht, was ich ihm beizubringen versuchte, und als die Zeit reif war und er es hätte verstehen können, machte er mich zum Gefangenen seiner Unwissenheit, wie um zu sagen: ›Seht her, ich habe Macht über diesen Spielmeister! Was sind seine Lehren wert? Ich verlange Gehorsam von ihm, und was ich nicht verstehe, ist es auch nicht wert, verstanden zu werden.‹ Er bildet sich eine Menge darauf ein, mich zu besitzen, denn andere achten mich hoch, und er denkt, dieser Besitz mehre sein Ansehen. Er begreift nicht, daß er nichts besitzt. Nichts. Dieses Knochengerüst ist nichts …« Er schlief mitten im Satz ein, den plötzlichen Schlaf der Uralten. Seidenhand blieb bei ihm, während wir anderen im Garten spazierengingen und Hunderte Arten eingetopfter Kräuter betrachteten, von der unscheinbarsten Sorte bis hin zu der Größe eines kleinen Baumes. Ihre vermischten Gerüche im warmen Sonnenlicht benahmen uns die Sinne.
    Später folgten noch mehr dieser Gespräche, doch Windlow schien immer reger zu werden. Am Abend jagte ich mit Yarrel Glühwürmchen in den Wiesen, und wir genossen es ohne Einschränkung, uns wie Kinder zu benehmen. Chance trank eine

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