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Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Titel: Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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aber an wie die Krallen eines Jagdvogels. »Überhaupt nichts mehr. Ihr reitet mit uns und wir mit Euch, zu unserem gegenseitigen Schutz. Wenn Ihr jetzt Weiterreisen wollt, brechen wir ebenfalls auf.« Und damit rief er einigen Leuten, die im Schatten der Fuhrwerke ruhten, Anweisungen zu, worauf eifriges Packen und Anschirren einsetzte. Ich versuchte vergebens, Einwände zu erheben. Es war sinnlos. Jeder Einwand wurde lächelnd, aber nachdrücklich zurückgewiesen, während sich der Blick des Händlers die ganze Zeit über in den meinen bohrte und seine Augen ohne jedes Lächeln in meine Seele hinabblickten. Ich hatte noch nie jemanden getroffen, der mich, ohne daß ich mit ihm überhaupt näher bekannt war, so oft mit einer solch eindringlichen Stimme Freund genannt hatte.
    Tja, was hätte ich tun können? Der Zug setzte sich in Bewegung, in die Richtung, in die auch ich hatte reiten wollen. Ich schloß mich ihm an, wenn auch ohne große Bereitwilligkeit. Nachdenklich beobachtete ich, wie die Frau, Izia, die ganze Zeit über zwischen den Pferden umherlief, die Geschirre überprüfte, während sie den Tieren leise etwas ins Ohr flüsterte und sich von ihren weichen Nüstern beschnuppern ließ. Wenn Nicker in die Nähe kam, scheuten die Pferde zurück, aber ihr gegenüber verhielten sie sich, als sei sie ihresgleichen. Sie trug einen glockigen, weiten Rock, ein enggeschnürtes Leibchen über einer Bluse mit weiten Ärmeln und hohe graue Stiefel, die aus einem eigenartig metallischen Stoff gewirkt schienen. Von Zeit zu Zeit beugte sie sich nieder, um mit den Händen darüber zu streicheln oder, wie es eher aussah, ihre Beine durch die Stiefel hindurch zu streicheln, erst das eine und dann das andere, fast wie nebenbei. Ich grübelte erneut über das Zögern in ihrem Gang nach, entschied aber dann, daß es bei ihrem Volk nichts Außergewöhnliches sein mußte, denn andere Leute in dem Zug gingen ebenso seltsam. Vielleicht, überlegte ich, lief man dort, wo sie herstammte, einfach so.
    Ich rief mir die Zeit ins Gedächtnis zurück, als Seidenhand, die Heilerin, Stunden und Tage damit verbracht hatte, mir alle Spieler des Index einzubläuen. Damals war es langweilig gewesen, aber jetzt durchforstete ich meine Erinnerung danach, welche Kreatur dieser Nicker wohl darstellen mochte. ›Händler‹ hatte im Index gestanden. Die Talente eines Händlers waren Macht über andere und Betörung. Seine Kleidung bestand aus ledernen Stiefeln, braunrot gestreiften Hosen und einem weitärmeligen Hemd sowie einer bauschigen Kappe und einem Kittel, der mit den Symbolen seines Handelsguts bestickt war. Laggy Nickers Kittel war über und über mit Bildern bestickt, die alles mögliche darstellten, von Pfannen und Deckeln bis hin zu Pferdeköpfen; er schien sowohl mit Blech als auch mit Pferden zu handeln und seine Finger in allen möglichen Geschäften zu haben. Keiner der anderen im Zug trug die Kleidung eines Spielers. Sie waren alle wie die Frau gekleidet, mit weiten kurzen Hosen über grauen Stiefeln, weiten Hemden und geschnürten Westen. Ich fragte mich, woher sie kamen, unterließ es aber, danach zu fragen. Ich wollte mich mit dem Händler nicht mehr unterhalten als unbedingt notwendig. Ich wußte nicht weshalb und hätte es auch nicht erklären können, doch ich konnte das Gefühl nicht abschütteln, daß er meinen Worten mehr entnahm, als ich meinte, mehr in meinem Gesicht las, als ich gern zeigen wollte. Deshalb lächelte ich und nickte, wenn er mit mir sprach, antwortete aber einsilbig. So schützt der Instinkt manchmal einen Dummkopf, der zu dämlich ist, seinen Verstand dazu einzusetzen.
    Also setzten wir die Reise fort, ich so schweigend wie möglich und meistens damit beschäftigt, die Frau zu beobachten. Zuerst tat ich es, weil ich sie für schön hielt, aber nach einer Weile sah ich, daß sie nicht so schön war, wie ich beim ersten Anblick gedacht hatte. Ihre Nase war zu lang und ihr Mund zu breit. Eine Auge saß ein bißchen höher als das andere, und sie hatte die Gewohnheit, immer ihren Kopf etwas zur Seite zu beugen, als erwarte sie die Antwort auf eine längst vergessene Frage. Trotzdem konnte ich nicht aufhören, sie zu beobachten, und ich ritt so, daß ich sie stets sah, wo immer in dem Zug sie sich auch befand. Ich konnte nicht aufhören, sie ständig anzuschauen, wie ein Geizhals seinen Goldschatz.
    Sie merkte, daß ich sie beobachtete, und wandte den Kopf ab, nicht verstimmt, sondern eher betrübt. Ich hatte

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