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Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Titel: Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Mein Abenteuer brachte mich nach Betand, und es spielte in allen Richtungen von hier – außer …«
    »Außer Westen«, sagte ich mit plötzlicher Eingebung.
    »Stimmt«, murmelte er bedrückt. »Ich schlief im Westen, aber ich sah ihn nicht. Oh, ich habe ihn in Visionen gesehen, das Geräusch von Metall, die grünen Lichter, die großen Verteidiger …«
    Hätte ich ihm doch bloß mehr Beachtung geschenkt!
    Doch ich tat es nicht. Meine Frage war beantwortet, und ich saß wie auf heißen Kohlen. So drückte ich ein paar Münzen in seine Hand und verließ ihn, ohne zu hören, was er weiter sagte. Er war aus jeder Richtung außer Westen nach Betand gekommen – also Westen war die Richtung, in die ich gehen mußte. Ich wunderte mich kurz, in welcher Gestalt sich Mavin wohl die Geschichte des alten Mannes angehört hatte. Vielleicht hatte sie auf dem gleichen Stuhl wie ich gesessen und Bier bestellt, wie ich es getan hatte, und zugehört, wie er seine oft wiederholte Geschichte erzählte. Schluß, dachte ich, genug davon. Nichts wie weg von hier. Ich hatte nicht einmal seinem Bericht über die hinterlistigen Schenker richtig zugehört.
    Ich verließ die Stadt durch das Nordtor und wäre sofort losgeprescht, hätte mich nicht eine Stimme aus einer Ansammlung Zelte und Fuhrwerke am Wegrand angerufen.
    »Heda, Reisender! Habt Ihr Euch in Betand amüsiert?«
    Es war der breitmäulige Händler, den ich in der Schenke im Süden der Stadt getroffen hatte. Ich erinnerte mich daran, daß er gesagt hatte, er würde mich wiedersehen, aber ich hatte nicht richtig darauf geachtet. Leise fluchend zügelte ich das Pferd und wartete, bis er an meiner Seite war.
    »War es interessant, Nekromant?«
    »Betand ist keine üble Stadt, Händler.«
    »Nicker, Freund. Laggy Nicker. O ja, Betand ist reizvoll«, sagte er und stieß wieder dieses schmutzige Lachen aus, das ich schon kannte. »Nicht schlecht, etwas umsonst zu bekommen, wofür man anderswo bezahlen muß, was?« Als ich nicht antwortete, setzte er hinzu: »Nun, habt Ihr eine Geschichte zu erzählen?«
    »Nein, Händler Nicker. Meine Geschäfte in Betand sind erledigt, und ich reite jetzt nach Westen. Danke für Eure Anteilnahme.«
    »Oh, mehr als bloße Anteilnahme, Freund! Viel mehr! Besorgnis. Ja, echte Besorgnis. Wir haben es uns zur Gewohnheit gemacht, meine Gefährten und ich, uns mit alleinreisenden Spielern anzufreunden. Die Welt ist schlecht, junger Herr, gewissenlos. Sie kümmert sich nicht um Jugend oder Geschäft. Nur wenn man zu mehreren ist, findet man Schutz. Wenn Ihr nach Westen reitet, habt Ihr die gleiche Richtung wie wir. Kommt, ich will Euch meine Leute vorstellen.«
    Ich hätte weiterreiten sollen. Ihn einfach übersehen und verschwinden, aber die Angewohnheit, höflich zu sein, war noch zu sehr in mir verankert. Ärgerlich über die Verzögerung stieg ich vom Pferd und ging mit ihm zu den Fuhrwerken am Straßenrand hinüber.
    »Izia«, rief er, »komm heraus und begrüß einen Spieler, der allein reist!«
    Sie trat hinter einem der Fuhrwerke hervor wie eine Erscheinung, eine Priesterin, Prinzessin, eine Göttin. Ich bin mir sicher, mein Mund blieb offenstehen. Auf den öffentlichen Plätzen in der Schulstadt standen Statuen, die das Ideal weiblicher Schönheit und Grazie verkörperten. Wenn eine dieser Statuen lebendig geworden und weggegangen wäre, wäre sie zu Izia geworden. Ihr Haar war schwarz, ohne einen einzigen Lichtglanz darin. Ihre Augen schimmerten hinter dunklen Schatten. Die Kurve ihrer Lippen schwang sich in der sinnlichsten Weise hoch und abwärts, mit jenem halben Lächeln, das wie eine schweigende Aufforderung zur Leidenschaft ist. Ein paar Tage früher hätte ich das noch nicht bemerkt. Jetzt erkannte ich es. Soviel hatte ich zumindest in Betand gelernt. Sie ging graziös, aber mit einer leichten – ja, was? Einer leichten Verzögerung, einem vorsichtigen Setzen ihrer Füße, als ob da ein Widerstand wäre. So stellte sie sich neben den breitmäuligen Mann und sagte mit sanfter, unbeteiligter Stimme: »Willkommen, Reisender. Wollt Ihr etwas essen oder trinken?«
    »Bitte nicht«, entgegnete ich hastig. Ich hatte das Gefühl, seit Tagen nichts anderes getan zu haben als zu essen und zu trinken. »Wirklich nicht, danke. Ich muß weiterreiten.«
    »Davon wollen wir nichts mehr hören.« Der Händler hatte den Arm fest um meine Schulter gelegt, seine Finger gruben sich in meinen Unterarm wie mit einem freundschaftlichen Griff, fühlten sich dabei

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