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Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Titel: Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Willen erfüllen, oder die Stiefel brannten. Das erinnerte mich an das seltsame Gebilde, das Nitch im Jahr zuvor in meine Jacke eingenäht hatte. Waren diese Folterstiefel nicht etwas ähnliches? Und glich beides nicht den Dingen, von denen Mandor gesagt hatte, sie gehörten Huld?
    Die Ähnlichkeit dieser Dinge war jedoch im Augenblick nicht wichtig. Mein Leben war wichtiger. Und so torkelte ich schwitzend durch die Gegend und brachte es sogar fertig, mich im Gebüsch zu übergeben. Ich fühlte mich, um ehrlich zu sein, wirklich ziemlich elend, obwohl das eher von der Angst und Anspannung kam und weniger vom Wein. Ja, ich fürchtete mich. Während der Nachtstunden hatte ich Dorn gerufen. Zögernd, langsam, »Nekromant Neun, Nekromant Neun«, murmelnd, war er erschienen. Mehr konnte ich ihm nicht entlocken, und der Warnung, daß ich mich in ernsthafter Gefahr befand, hätte es nicht bedurft. Das hatte ich bereits selbst gemerkt.
    Es dauerte nicht lange, da stellte sich mir Nicker mit verlogenem Lächeln und hinterhältigen Fragen in den Weg. Ob ich den Wein getrunken hätte, den er mir letzte Nacht gegeben hatte? Ich antwortete mit unbestimmten Kopfnicken, grinste mühsam und beteuerte, daß nur noch ein einziger Tropfen mehr davon mich wahrscheinlich ins Jenseits befördert hätte. Das befriedigte ihn keineswegs, und ich wußte, es würde nur wenig Zeit verstreichen, bis er etwas anderes versuchte. Sollte er doch denken, ich sei ein Trottel. Ich hatte selbst keine höhere Meinung von mir.
    Ich mußte unbedingt eines der Talente benutzen, und während ich Plan um Plan prüfte, abwog und wieder verwarf, wurde ich ganz kribblig. Wenn ich mich in eine andere Gestalt verwandelte, mußte ich mein Pferd und meine ganzen Habseligkeiten zurücklassen. Diese Idee überzeugte mich nicht, denn ich hatte noch eine ziemlich weite Reise vor mir. Mein Instinkt sagte mir, daß Nicker von Trandilar nicht beeindruckt sein würde. Er gehörte zu denen, die der Betörung durch andere nicht sonderlich zugänglich waren. Ebensowenig würde er sich vor dem Tod fürchten. Etwas anderes also … Portieren nicht, denn damit würde ich ebenfalls mein Pferd und meine Ausrüstung verlieren. Außerdem konnten sich Portierer nur zwischen zwei ihnen bekannten Orten bewegen. Da ich mich aber in der Gegend vor mir überhaupt nicht auskannte, würde jeder Sprung mich in meiner Reise meilenweit zurückwerfen. Waffenträger? Wenn ich davonflog, waren Pferd und Ausrüstung ebenfalls verloren. Feuer? Heilen? Was sollte ich damit? Das Talent des Dämonen zum Gedankenlesen? Vielleicht, wenn ich dadurch erfahren konnte, was Nicker dachte. Grübelnd ritt ich neben dem frostigen kleinen Wagen her und sah Dampf von ihm aufsteigen, ebenso wie ich die Nebel in der Leuchtenden Domäne hatte aufsteigen sehen. Nichts bot sich an, was man als wirklich guten Plan hätte bezeichnen können. Alles wirkte an den Haaren herbeigezogen, schwierig, möglicherweise gefährlich …
    Da erblickte ich vor uns Felsen, scharf vor einem Himmel aufragend, der tief über uns hing, denn während der Morgenstunden war es kühl und regnerisch gewesen und klarte erst jetzt auf. Felsenriffs, deren Ränder zerklüftet und brüchig waren, mit langabfallenden Böschungen, die ihnen ein kegelförmiges Aussehen gaben. Ein Plan formte sich in meinem Kopf, zunächst nur langsam, ein Gedankenskelett, das erst noch mit Fleisch bedeckt und vollendet werden mußte. Die Sonne kam hinter den Wolken hervor, heiß und ungeduldig. Ich griff in den Beutel und fand die kleine Figur von Shattnir, Erste Magierin, Große Bewahrerin der Macht. Sie sprach nicht zu mir, wie die anderen es getan hatten. Statt dessen floß sie in meine Adern und durch meine Haut, fing mich in ihrem Netz, band mich in ihr Wesen ein und begann, die Wärme der Sonne aufzunehmen und einzulagern – irgendwo innen. Ich fühlte, wie sich die Kraft in mir aufbaute, wie es mir eng wurde, als ob meine Haut sich spannte und schwoll. Ich hatte den Eindruck, daß meine Augen hervorquollen und daß sich meine Lippen gedunsen nach außen stülpten, aber mein Gesicht, das ich in der polierten Kummetplatte zwischen den Ohren des Pferdes erblickte, sah aus wie sonst auch. Nicht zuviel, bat ich stumm. Soviel, wie ich brauche, Shattnir, aber nicht zuviel. Doch sie hörte nicht, sondern zog weiter Kraft aus dem strahlenden Himmel, immer mehr und mehr, bis ich schließlich aufgab, aufs Explodieren zu warten und ihr statt dessen gestattete, in mir Raum

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