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Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Titel: Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Schmeichlerisches, eine Betörung, um Vögel und kleine Tiere zu verzaubern, was immer sich auch in Hör- oder Geruchsweite von mir befinden mochte. Ein süßer Duft, der schwache Geruch von Verlangen floß durch mich hindurch, verbreitete sich in der Luft. Beobachtende Stille antwortete, eine Art schweigender Aufmerksamkeit. Ich konnte nicht erklären, woher ich wußte, daß sie sich in meiner Nähe befanden, aber ich war mir sicher. Schließlich schlief ich ein, vom Warten auf sie erschöpft.
     
    Am nächsten Morgen ritt ich einen Wasserlauf entlang, der zu einem kleinen Fluß wurde. Mein Weg hatte mich auf eine Hochebene geführt, die sich nach Westen abwärts neigte, und der Fluß, dem ich folgte, wurde von allen Seiten von kleinen, rasch dahinsprudelnden Bachläufen gespeist, die mit munterem Plätschern über die glattgeschliffenen Steine ihres Bettes sprangen. Am Ende des Tages begann ich, einen eigenartigen Geruch wahrzunehmen, eine große Nässe, der des Stürmischen Meeres ähnlich, aber doch auf eine Art, die ich nicht beschreiben konnte, davon verschieden. Unzählige Regenbögen standen plötzlich am Himmel, und der Fluß stürzte jäh steil durch eine Senke im Boden nach unten, wo ich Wasser erblickte, ein großes Binnenmeer, das sich bis zum westlichen Horizont erstreckte. Der Abendwind blies mir ins Gesicht und warf die Wellen mit langen weißen Schaumkronen ans Ufer. Ein gewundener Pfad führte nach unten, wo das Ufer in einer langen sanften Kurve nach Norden und Süden schwang und das Hochland hinter sich ließ. Etwas weiter nördlich sah ich eine kleine, von Bäumen umstandene Bucht, mit einem grasüberwachsenen Ufer und ruhendem Wasser, auf dem weiße Blumen mit ihren Köpfen nickten und in das Teufelsnadeln ihre wie Glas funkelnden Flügel tauchten. Das Pferd stolperte vor Müdigkeit. Ich leckte mir über die Lippen, die salzig schmeckten, und konnte mich kaum auf den Beinen halten, als ich vom Pferd stieg. Außer Wassergeplätscher war kein Geräusch zu vernehmen, doch ich wußte, daß man mich beobachtete, wie seit Tagen schon. Ich war zu erschöpft, um zu essen, zog deshalb nur den Sattel vom Pferd und wickelte mich in eine Decke, um in einen tiefen traumlosen Schlaf zu fallen.
    Es war Nacht, als ich erwachte, Nacht, die von einem halben Mond erhellt wurde. Ein Geräusch hatte mich geweckt, ein Rufen. Ich starrte über das mondbeschienene Wasser und erblickte ein Boot, ein langes, flaches Boot, wie es große Schiffe mit sich führen. Obwohl es offenbar leer war, hörte ich ein Rufen. Das Boot hob sich nur als Silhouette vor einem sanften Glühen ab, einem nebelhaft verschwommenen Leuchten. Es trieb zu mir hin, knirschte über die Uferkiesel und wurde zurückgeschwemmt, jedesmal ein Stück weiter ins Wasser hinaus. Im meinem schlaftrunkenen Zustand erschien es mir der reinste Glücksfall, ein Boot zu haben, das mich nach Westen übers Wasser tragen konnte. Ich wickelte mich rasch aus der Decke, noch halb im Schlaf, und schickte mich an, das Boot näher ans Ufer zu ziehen.
    Als ich aber in Richtung des Bootes stolperte, ertönte ein schmerzlich hohes Heulen aus der Dunkelheit, und ich hielt inne, außerstande, einen Schritt weiter zu gehen. Kleine Arme umklammerten meine Beine und zerrten mich zurück, zogen an mir, schoben mich von dem Boot weg. Zwischen mir und dem feinen Glühen konnte ich den Umriß ihrer Gestalten erkennen. Zwei oder drei von ihnen trugen etwas bei sich, einen Holzbalken möglicherweise – irgend etwas Sperriges. Sie näherten sich dem Boot, hievten ihre schwere Last hinein und rannten rasch fort. Die Last fiel in das Boot und …
    Und das Boot kippte in die Senkrechte, stieg in die Luft empor, wurde zum Ende einer hohen Säule, an der es befestigt war, einem gigantischen biegsamen Arm, einem von einer Vielzahl dicker Greifarme, die in einem wirbelnden Mahlstrom hochschossen und sich um das Boot schlangen, um es unter Wasser zu ziehen. Kleine Finger stießen mich zurück, immer weiter zurück, während die Greifarme erneut aus dem Wasser schossen und mit spürbarem Zorn über die Uferkiesel tasteten, auf der Suche nach dem Opfer, das ihnen gerade entkommen war. Vor dem wässrigen Glühen glaubte ich eine Aura zu sehen, die ein Auge umrahmte, ein Auge, runder als der Mond und genauso kalt, das starr auf die kleinen schattenhaften Gestalten äugte, die pfeifend und Kapriolen schlagend am Ufer tanzten.
    Es waren die quadrumanna, die Vierhändigen, die Schattenmenschen mit

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