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Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Titel: Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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eingeschlossen. Ich drehte mich um, um mit den Händen gegen die Tür zu schlagen und stoppte dann, aus Angst davor, was vielleicht als Antwort auf diese Schläge erfolgen könnte, denn das Schließen der Türen hatte geklungen, als klappten Kiefer zusammen, als schlössen sich klatschende Hände um flatternde Flügel, um festzuhalten, zu halten und zu halten, bis Hoffnung und Leben erstorben war. Es war das Geräusch, das Zähne erzeugen mochten, die sich um eine Kehle schlossen.
    Ich begann mich schrecklich zu fürchten, so sehr, daß ich eine ganze Weile überhaupt nichts unternehmen konnte, kaum atmete, mich hinkauerte, wo ich mich befand, und mich umschaute wie in einem Alptraum. Schließlich bewegte ich mich wieder.
    Es gab Treppen, die aus der Audienzhalle über bodenlose schwarze Abgründe führten, sich gegen Säulen schwangen und sie wie Schlangen umwanden, über sie hinweg zu hohen Böden aufstiegen, auf den Hunderte rohgemeißelter steinerner Köpfe verstreut standen, die mich anlächelten und mit Kinderstimmen um Essen, Sonnenlicht und Freiheit baten. Sie rollten bettelnd hinter mir her, als ich mir einen Weg zwischen ihnen hindurch bahnte. Ich schlüpfte durch eine Tür und schloß sie gegen den Lärm, gegen das fordernde Klopfen der Steinköpfe gegen die Tür.
    Es gab Zimmer ohne Decken, deren Mauern sich oben in unendlicher Finsternis zu verlieren schienen, und das Geräusch von etwas Riesenhaftem, das dort oben schwebte und hin- und herschwang. Es gab Wandelgänge ungeheuren Ausmaßes, Fenster, die zu Innengärten führten, wo steinerne Tierköpfe mich ungestüm anschauten, als wünschten sie verzweifelt, sich bewegen zu können. Es gab große Hallen, in denen Herdfeuer brannten und Tische mit dampfenden Mahlzeiten gedeckt waren. Ich aß nichts. Ich trank nichts. Shattnir in mir zog jedoch die Hitze aus diesen Feuern, um sie zu speichern.
    Als ich nicht mehr weiter konnte, war es neben einem dieser ungeheuer großen Herde, wo ich auf den Fersen hockend auf einem Teppich sitzenblieb, dessen kompliziertes Muster quadrumanna auf der Jagd nach Schlangen zeigte. Shattnir hörte nicht auf, Hitze in mir zu speichern. Fast im Halbschlaf ließ ich sie gewähren, ließ mich von ihr zu einem großen Gefäß der Kraft machen. Ich konnte hören, wie sich in weitentfernten Hallen des Schlosses Türen leise öffneten und wieder schlossen, und ich fragte mich voll Furcht, was sich da wohl nähern möge. Meine Hand wanderte in die Tasche an meiner Seite. »Komm, Großmutter«, flüsterte ich. »Göttliche Didir, komm …«
    Was als Antwort auf diese umklammernde Einladung auftauchte, war alt, so alt, daß mein Mund trocken wurde und meine Haut sich runzlig und verstaubt anfühlte. Jahrhunderte sanken auf mich herab, tausend Jahre, vielleicht sogar mehr. Eine Haut war es, eine eingeschrumpfte Hülle, in der sich nichts befand, nichts – bis sich die Haut füllte, etwas aus mir, aus Shattnir, aus der Welt um uns herum in sich hinein zog und anschwoll, von innen gegen mich drückte, bis ich dachte, es bliebe kein Platz mehr für mich übrig, und angstvoll aufschrie: »Genug, genug! Laß mir etwas Raum!« Daraufhin ließ es nach, eine Art Rückzug setzte ein, und eine Stimme flüsterte aus den Tiefen der Jahrhunderte: »Ich verstehe … verstehe … verstehe …«
    Ich fühlte Dorn in mir und seine Ehrfurcht; Trandilar, die sich verbeugte; Wafnor, der mit erhobenem Kopf lächelte; Shattnir, die DERJENIGEN, die ich aus der Vergangenheit gerufen hatte, die Hand bot. Großmutter Didir, Dämon, Erste aller Spieler und Spielerinnen aus längst vergessener Zeit. Sie, die den Geist dieses Ortes, an dem ich mich befand, LESEN konnte, den Geist dieses monumentalen Gebildes, falls, sie es wollte. Wenn ich die Ehrfurcht der anderen vorher gespürt hätte, würde ich nicht so unverfroren gewesen sein, SIE zu rufen. Ich bin froh, daß ich es nicht vorher wußte. Den Mitbewohnern meines Geistes war meine Furcht nicht entgangen, und Didir entging sie auch nicht. Ich hörte ihre Stimmen durcheinander, ihre erhob sich über die anderen wie flüsternder Stahl, unendlich zart, unendlich stark.
    »Tja, Kind, das ist ein gefährlicher Platz, den du hier gefunden hast.«
    »Magiermacht Neun«, flüsterte Shattnir.
    »Nekromant Neun«, sagte Dorn.
    »Unsinn«, erwiderte Didir. »Gefährlich, aber nicht tödlich. Wir Alten beugen uns nicht so rasch dem Wort ›tödlich‹, nicht wahr, Kind?«
    Ich bewegte mich nicht, denn sie griff aus mir

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