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Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Titel: Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Spielern oder Bauern. Einige waren Wandler, Wesen wie ich (dachte ich zumindest), die gerade etwas schufen. Ich lernte, an diesen Stellen auf mein Körpergefühl zu achten. Wenn die Dinge ›echt‹ waren, konnte ich sie erforschen oder dort Schutz suchen. Wenn sie es nicht waren, empfahl es sich, einen sicheren Abstand von ihnen zu halten. Andere Dinge, die weder wandlerisch noch echt waren, kannte ich in Schlaizy Noithn noch nicht, Dinge, vor denen mein Körper mich nicht warnen konnte. Was mich einem dieser Dinge in die Arme trieb, war meine Einsamkeit.
    Tage waren inzwischen verstrichen. Ich hatte aufgehört, sie zu zählen, während ich das ganze Tal auf der Suche nach Thandbars Monument durchquerte. Ich hatte gesucht und gesucht und war beinahe am Verzweifeln, denn wer sagte mir, daß das Denkmal sich nicht ständig von mir wegbewegte oder sich hinter mir versteckte? Seitdem Sambeline weggeflogen war, hatte ich kein menschliches Wesen mehr zu Gesicht bekommen. Ich überlegte manchmal, ob sie die menschliche Gestalt nur bei bestimmten Anlässen benutzten, für irgendwelche hohen Rituale, um ihre Religion auszuüben, wie immer die auch aussehen mochte. Mir zeigten sie sich jedenfalls nicht in ihrer menschlichen Gestalt. Ich sah Tiere, die keine Tiere waren, Dinge, die wie aus Stein oder Erde gemacht aussahen, aber nicht waren, Bäume und Pflanzen, die niemals aus Samen oder Knollen gesprossen waren, aber ich sah keinen Menschen. Sogar Peter in seinem Fell war seiner menschlichen Wirklichkeit näher als viele andere hier.
    Als ich deshalb zu dem Schloß kam, mit seinen Hunderten von hellerleuchteten Fenstern und seinem sanften Hauch Musik, der von ihm in die Nachtluft hinausschwang, brauchte ich die Gesellschaft meinesgleichen dringender, als ich in Worte fassen konnte. Langsam wurde ich unsicher, wer ich war, was ich war. War ich bloß der fellbedeckte Peter, ein Wilder in der Wildnis, ein Tier unter vielen anderen, das langsam vergaß, warum es hierhergekommen war und was es hier wollte? Ich brauchte dringend das Wissen, mehr zu sein als das.
    So rief das Schloß mich zu sich, von seiner Höhe oben, wo es brütend über den silbrigen Wiesen lag, seine hohen verzierten Säulen in knolliger Asymmetrie verdreht, Seen aus Schatten auf das Gras vor meinen Füßen werfend, mit Sümpfen der Dunkelheit in den Höfen. Seine Türen standen weit offen. Einladend. Es gab keine Warnung. Alles wirkte grotesk, verunstaltet, fremd, aber nicht gefährlich. Ich war zu einsam, um mich zu fürchten. Ich verwandelte mich in eine zivilisiertere Gestalt, genoß wieder das Gefühl von Kleidung an meiner Haut, das Gewicht eines Umhangs auf meinen Schultern. Ich hatte gelernt, daß Kleidung kein Problem war. Man konnte sie aus dem gleichen Stoff machen wie dem, aus dem man seine Haut schuf.
    Ich schritt unter den Arkaden hindurch, die Hände mit offenen Handflächen vor mir, um zu zeigen, daß ich kein Feind war. Hier gab es kein Fallgatter, das knirschend in steinernen Ausbuchtungen einrastete, keine Brücke, die donnernd aufs Pflaster rasselte. Nein, ein offener Weg, der Fußboden ein Mosaik, dessen Muster sich wand und drehte, in unerwartete Richtungen führte, von unvorhergesehenen Kurven und unberechenbaren Geraden zurückkehrte. Mein Blick verschwamm, als ich darauf schaute, aber ich redete mir ein, das käme vom Hunger nach Gesprächen, nach Menschen, nach einem Feuer oder Essen, das gekocht war, nach den Verlockungen menschlichen Daseins. Der Name des Ortes war über der großen Tür eingemeißelt. ›Schloß Jammer.‹ Der Name wirkte nicht gerade fröhlich, aber das war noch kein Grund, den Ort zu verdammen. Ich war schon öfter an Plätzen mit traurigen Namen gewesen.
    Die Tür schwang weiter vor mir auf, und ich ging hindurch.
    Dann schloß sie sich hinter mir.
    Mir fehlen die Worte, um das Geräusch zu beschreiben. Die Tür war nicht sehr groß, nicht größer als viele andere Hallentüren auch. Sie schloß sich sanft, aber mit dem Geräusch einer Tür von zwanzigfacher Größe, einem mächtigen Wumm! wie von einem riesigen Hammer. Es vibriert etwas, widerhallte kurz und löste sich dann in eine Stille auf, in der noch immer etwas von dem Ton schwang. Und von überall her aus dem monströsen Gebäude ertöne das Geräusch weiterer Türen, die sich mit unabwendbarer Endgültigkeit schlossen, ein Schließen, das so unausweichlich war, wie ich es mir bis zu diesem Augenblick nicht hatte vorstellen können. Ich war

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