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Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Titel: Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Der Turm wankte, neigte sich, stürzte langsam ein. Irgendwo in dem riesigen Gebäude ertönte ein durchdringend schrilles Zischen, eine entsetzliche Folge wütender Laute, das trommelnde Geräusch auf- und zuklappender Türen die langen Korridore entlang zum Turm hin. Wafnors Kraft kehrte wie ein Peitschenhieb zu mir zurück, streckte sich dann wieder aus und griff diesmal in die entgegengesetzte Richtung. Er fand einen Zwischenwall und begann rasch, die Erde darunter auszuhöhlen, so daß Steine und Erde in die entstehende Öffnung stürzten, als die Grundpfeiler zu brechen begannen. Ich merkte, wie die Mauer langsam nachgab, wie sie sich wie ein riesiges Blatt nach außen legte, wie sie barst und auseinanderbrach und die Steine auf das Pflaster unten aufschlugen. Im Schloß verdoppelte sich der Wutschrei, ein Windstoß brauste durch das Gebäude von einem Ende zum anderen, schaute nach uns, suchte uns. Das Zischen wurde zum Brüllen, zu einem tobenden Tumult.
    »Das Ding ist verletzt«, sagte Didir. »Seht nur, die Türen …«
    Tatsächlich, die Türen standen offen, bei uns und weiter oben im Gang, und bewegten sich leicht wie im Windzug, unschlüssig, ob sie sich richtig schließen oder ganz öffnen sollten. Wafnor faßte wieder hinaus, dieses Mal zu einer Stelle, die auf halber Strecke zwischen seinen beiden früheren Angriffen lag, und wieder untergrub er eine Mauer und ließ ihre zerberstenden Steine mit donnerndem Geprassel auf den Mosaikboden stürzen. Die Tür vor uns begann zu schlagen, wieder und wieder, eine Kanonade von Schlägen. Zwischen einem bang! und dem nächsten ertönte ein langgezogenes, rumpelndes Brüllen, und die steinernen Köpfe schossen durch die Tür und flogen wie Querschläger von einer Wand zur anderen, von Seite zu Seite, schreiend, mit aufgerissenen Augen, während ihren steinernen Mündern kehlige Schmerzenslaute entflohen. Der Lärm steigerte sich, und sie rollten hinweg, als Wafnor sich an der vierten Seite der Schloßmauer zu schaffen machte. Die Wände des Zimmers begannen, sich zu wölben.
    »Es schlägt nach sich selbst«, flüsterte Didir. Ich zog mich quer durchs Zimmer zu der entgegengesetzten Wand, beobachtete und lauschte mit jedem Nerv. Die Mauer gegenüber zog sich wie bei einem Atemzug nach innen, bog sich wieder nach außen und brach in Stücke, die auf den Boden und durch ihn hindurch nach unten in die großen Hallen stürzten. Dann kam Wafnor wieder zu mir zurück, und wir rührten uns nicht mehr, brauchten uns auch nicht mehr zu bewegen, denn um uns herum jagte Schloß Jammer sich selbst in wütender Zerstörung, biß sich, schlug nach sich in selbstmörderischer Tobsucht. Mauern brachen, Decken stürzten ein, mächtige Deckenbalken barsten entzwei und streckten ihre Teile wie gesplitterte Knochen zum Himmel. Dann, plötzlich, verblaßten Balken, Steine und Mörtel verschwammen. Gestank breitete sich aus, Gestank nach Verwesung. Morsche Klumpen fielen auf uns herab, Fäulnis brodelte auf. Ich rollte mich zusammen, wurde zu einer Schale und ließ mich wie eine Nuß auf der Fäulnis treiben, während ich abwartete, bis ich den Schrei hörte, mit dem Schloß Jammer in Schweigen versank und verschwand. Für immer verschwand.
    Als die Stille von Vogelgezwitscher unterbrochen wurde, entrollte ich mich wieder und wurde zum Fellpeter. Ich stand auf einem verwüsteten Hügel, auf einem Boden aus Asche und Schlacke, grau und hart, auf dem kein einziger Grashalm wuchs. Hier und dort standen noch ein paar Steine aufeinander, verschoben und gesplittert, wie Überreste eines Skeletts. Sonst sah ich nichts, abgesehen von den steinernen Köpfen und Tieren, die nun mit leblosem Blick schwiegen. Ich stieß einen von ihnen mit dem Fuß an, und als er zu Staub zerfiel, kam der Schädel darunter zum Vorschein. Dieser starrte mich ebenfalls aus leeren Augenhöhlen an, und ich begann zu weinen. »Nicht, nicht«, sagte Didir in mir. »Es leidet nicht mehr.«
    Am Fuß des Hügels zitterten zwei Bäume und wurden zu jungen Menschen, blond und ernst. Ein Pombi kam aus dem Wald, stellte sich auf die Hinterbeine und verwandelte sich in Sambeline. Auf einem der Steinköpfe ließ sich ein Vogel nieder, kreuzte die Beine und stützte den Kopf in die Hand, um mich mit den Augen eines Mannes mittleren Alters anzublicken. Langsam versammelten sich um uns einige der Wandler von Schlaizy Noithn, um mich und die Ruinen anzustarren – neugierig und seltsam regungslos.
    Nach einer Weile sah ich hoch

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