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Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Titel: Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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waren sie Wandler, und einer von ihnen, wenn nicht sogar alle, enthielten die Persönlichkeit von Thandbar, dem alten Weitgesandten selbst, dem wandlerischsten von allen. Wahrscheinlich würde ihm das alles hier nicht eigenartig erscheinen, und doch dachte ich nicht daran, eine der Wandlerfiguren in die Hand zu nehmen und zog es auch niemals in Erwägung. Später wunderte ich mich, warum ich es nicht getan hatte. Der Grund war schlicht und einfach – Stolz. Wandeln war mein eigenes Talent, war mir in die Wiege gelegt worden. Ich wollte keine Anweisungen darüber von irgend jemand anderem hören. Ich wollte, daß es mein eigenes Talent blieb. Also begab ich mich, aus Ignoranz und Stolz unvorbereitet auf das, was ich antreffen oder sehen oder was man von mir erwarten würde, ganz allein in das Land Schlaizy Noithn.
    So war es.
    Ich saß auf einem Hügel neben einem grotesken Steinhaufen, der aussah, als sei er in halbgeschmolzenem Zustand geformt worden, und verzehrte mit unbehaglichem Gefühl ein paar Fische. Sie waren außergewöhnlich, denn sie hatten weder geheult noch waren sie den Fischspeer hochgeklettert, um freßwütig mit ihrem Mäulern meine Hände zu verschlingen, bevor sie sich in einen Schwarm Schmetterlinge verwandelt hatten und in den blauen Himmel entschwunden waren. Diese Fische hier waren still gewesen, und meine Vernunft sagte mir, daß es deshalb echte Fische waren, genießbare. Die Vernunft sagte mir das. Der Magen fühlte sich unbehaglich.
    Neben mir huben die verformten Steine knirschend zu sprechen an, bewegten sich langsam, als wären sie die Lippen eines riesigen, breiten Mannes.
    »Weer … iiiiist … nach Schlaaaizy Noiiithn … gekooommeen?«
    »Peter, der Sohn von Mavin Vielgestalt«, sagte ich, voll Furcht, daß mein Herz gleich aus der Brust springen könnte. Der Stein sagte nichts weiter. Statt dessen wuchs ein langes Stück Erde neben mir aus dem Untergrund heraus, hoch und nach außen wie der gebogene Ast des lebendigen Hügels, um sich dann umzudrehen und nach mir zu spähen, indem es auf seiner Spitze ein neugieriges, milchigblaues Auge öffnete, mit Wimpern aus Gras bekränzt, das mir zublinzelte und mich dann anstarrte. Es starrte, während der Fisch briet, während ich ihn aß, während ich das Messer säuberte und einpackte. Es starrte, als ich das Feuer austrat und wandte sich dann um, um mir noch nachzustarren, als ich wegging. Als ich vom nächsten Hügelkamm aus zurückblickte, war das Auge etwas in die Höhe gewachsen, um mich besser im Blickfeld halten zu können.
    Manchmal bewegte sich die Straße. Manchmal bewegte sie sich in die Richtung, in die ich ging, manchmal seitwärts oder rückwärts. Dann hüpfte sie wieder, wie ein launisches Pferd, das zum ersten Mal gesattelt wurde. Wenn die Straße sich entgegen meiner Richtung bewegte, verließ ich sie so rasch wie möglich und entschuldigte mich dafür, daß ich das tat – oder dafür, sie überhaupt betreten zu haben. Es schien schwierig, ohne Straße auszukommen, denn das Land war größtenteils unwegsam. Manchmal unterhielten sich die Straßen mit mir, manchmal verfluchten sie mich. Eine Straße umklammerte meine Füße so fest, daß sie mich eine ganze Tagesreise mit sich zurücktrug. Versteht Ihr meine Dummheit, wenn ich Euch sage, daß ich diese Tagesreise trotzdem wieder auf meinen eigenen Füßen vorwärtslief, das Gepäck geschultert?
    Langsam wurden sie – wer immer sie auch waren – ungeduldig.
    Als es Nacht wurde, machte ich Rast, holte den Feueranzünder aus meinem Gepäck und häufte Feuerholz auf, bereit für den Funken. Das Feuerholz schoß hoch und stieß den Anzünder aus meiner Hand, der von einem Vogel aufgefangen wurde, der in der Nähe auf einem Stein saß. Der Vogel flog fort, den Feueranzünder in den Krallen, und es war mir, als hörte ich ein krächzendes, leises Lachen in der Luft. Ich verfluchte die Gegend, die Einwohner, mich selbst. Niemand schien mich zu hören oder sich darum zu scheren, abgesehen davon, daß sich die Baumwipfel plötzlich in einem Wind zu bewegen begannen, der zuvor nicht geweht hatte, und daß sich Wolken in der Abenddämmerung zusammenballten, eine ungeheure Menge grauer aufgedunsener Klöße an einem Himmel, der wie rote Suppe aussah. Innerhalb weniger Minuten fing es an zu regnen. Mein Feuerholz bekam Beine und verschwand im Gebüsch. Ich wickelte mich in meine Decken und knabberte an einer Handvoll Nüsse, die ich im Laufe des Tages gesammelt hatte. Ein Hirsch

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