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Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Titel: Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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heraus, gebrauchte die Kraft, die Shattnir gespeichert hatte, griff durch das Material dieses labyrinthischen Gebäudes hindurch, um die Mitte zu finden, seinen Nerv. Ich fühlte, wie sie suchte und suchte, fühlte das kalte Unverständnis der Mauern, die steinerne Ignoranz der Säulen und Treppen, während sie weiter suchte, sich bis zu den Grenzen des Platzes streckte. Nichts.
    Am Ende des Korridors öffnete sich eine Tür.
    »Dort unten«, flüsterte Didir. Sie sandte ihre suchenden Gedanken aus und hinunter, durch Bodenmosaiken und muffige Gewölbe, zu den Abgründen der Verließe und Katakomben, die sich unterhalb der Mauern in schweigender Finsternis verloren. Nichts.
    Die Tür schloß sich.
    Es schien mir, als hörte ich Didir mit den Zähnen knirschen, ein kleines knirschendes Jucken in meinem Kopf. »Oben«, sagte sie, und ihr Geist wanderte abermals umher, langsamer, sorgfältig, durchsuchte jedes Quentchen Luft, jede Treppenstufe, stieg das Mauerwerk nach oben bis zu dem tief darüber hängenden Himmel, umschlang jeden Turm wie eine Weinranke, bohrte sich mit winzigen Gedanken wie mit wurzellosen Füßen hinein, zum First hoch, zu den weiten, leeren Dächern. Nichts.
    Plötzlich hörten wir, wie sich vielleicht zwanzig Schritte von dem Zimmer entfernt, in dem wir uns befanden, auf dem großen Korridor eine Tür öffnete und nach einer abwartenden Pause wieder schloß, mit dem mächtigen dumpfen Geräusch einer etwas entfernten Explosion. O Götter der Schöpfung, wir erstarrten vor Angst. Laute Warnrufe ertönten in mir, aber die brauchte ich nicht. Ich floß die Wand hoch, benutzte die ganze Macht, die Shattnir gespeichert hatte, stieg fließend hoch wie Wasser, bis ich auf einer Mauer lag, die nicht breiter war als ein Fingernagel, fein, dünn und durchsichtig dahingestreckt wie Glas, durch meine Haut schaute, durch sie fühlte und mit jeder Faser von mir hörte und wußte, wie sich die Tür zu dem Zimmer unten öffnete und etwas hindurchging. Dann schloß sie sich wieder.
    Doch im Zimmer begann etwas zu zischen, etwas sehr Altes und Böses. Ich konnte es fühlen, spüren, wußte, daß es anwesend war, aber man konnte es mit dem gewöhnlichen Sehsinn nicht erkennen. Vorweltlich und unsichtbar füllte es den Raum aus, preßte sich gegen die Mauern, preßte sich gegen mich in wütender Besitzherrschaft über diesen Platz, dieses Gebäude. Dann, unsagbar langsam, ohne etwas von seiner drohenden Ausstrahlung zu verlieren, öffnete sich eine andere Tür auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers, und das, was sich im Raum aufgehalten hatte, verschwand. Die Tür schloß sich hinter ihm mit dieser unabwendbaren Endgültigkeit, die ich nun schon unzählige Male erlebt hatte.
    »Es weiß, daß jemand hier ist«, flüsterte Didir in mir. »Aber es weiß nicht, wo du bist.«
    Ich ließ mich die Wand hinuntergleiten und blieb als Pfütze unten liegen, eine Pfütze, in der der kleine Beutel mit Barish Spielfiguren der einzige feste Gegenstand zu sein schien. »Nimm dich zusammen, Junge«, sagte Didir streng. »Gib mir eine Gestalt, in der ich überlegen kann!« Sie schlug nach mir, ein Aufzucken elektrischen Schmerzes, der sich nicht darum scherte, in welcher Gestalt ich mich gerade aufhielt. Ich kämpfte mich in die Gestalt des fellbedeckten Peters zurück, verstaute die Spielfiguren in meiner Tasche und wartete. Weit entfernt verhallten Geräusche großer, zuklappender Türen.
    Dann belauschte ich ein Gespräch zwischen Geistern. Dorn und Didir, Wafnor und Shattnir, Trandilar als interessierte Zuhörerin, ein Stimmengewirr, in dem alle gleichzeitig redeten oder es zumindest versuchten, während ich mich, soweit es ging, aus meinem Geist fernhielt, um ihnen allen Platz zu lassen. Es hielt aber eine ganze Weile an, zu lange, denn entlang der hallenden Korridore ertönte näher kommend wieder das Geräusch der Türen.
    »Schluß jetzt«, schnappte ich, mit der Geduld am Ende. »Niemand von euch hört dem anderen wirklich zu. Seid ruhig. Laßt mich meinen Kopf wieder selbst benutzen!« Überraschtes Schweigen folgte – und dann ein Gefühl wie Rückzug, eine Art belustigter Rückzug. Sollten sie über mich lachen, wenn sie wollten. Schließlich war es mein Körper, den ich schützen mußte.
    Ich setzte Stück für Stück zusammen, was ich bis jetzt wußte, genauso, wie Spielmeister Gervaise es mich hoch oben in den kalten Räumlichkeiten der Schulstadt einst gelehrt hatte, zog Rückschlüsse aus dem Bekannten und

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