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Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant

Titel: Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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etwas so Entsetzliches gibt?« schrie ich sie an. »Seit Jahrhunderten – wie ein Geschwür! Und was hast du dagegen unternommen? Nichts! Ich wäre beinahe getötet worden. Wie Tausende vor mir auch. Wer waren sie? Vierhändige? Bauern? Leute, nach denen kein Hahn krähte? Wie konntest du zulassen, daß dein eigenes Fleisch und Blut in dieser Falle gefangen wird?
    Wie konntest du …« Vor lauter Zorn versagte mir die Stimme.
    Mavin hörte gar nicht richtig zu. Sie ließ einen der Vögel auf ein Holzbrett plumpsen, häufte etwas Unerkennbares daneben, legte eine Brotkante dazu und stellte alles auf einen Stein neben mich. »Du wirst hungrig sein«, sagte sie. »Exorzieren ist anstrengend.«
    Wieder schrie ich sie an. Sie biß vorsichtig in ein Vogelbein, wobei sie den Finger benutzte, um sich ein Stück knuspriger Haut in den Mund zu schieben. Der Geruch war überwältigend. »Dein Essen wird kalt«, sagte sie.
    Ich wütete, tobte, rannte hin und her, und die Worte sprudelten ungewollt, in einem vollendeten Wutausbruch, aus mir heraus. Mavin aß einfach weiter. Schließlich konnte ich vor Erschöpfung, Wut und aus purer Schwäche nicht weitertoben. Ich schnappte nach Luft, erstickte fast an meinen eigenen Worten. Mavin drückte einen hölzernen Krug in meine Hand. Ich dachte, es wäre Wasser und trank den Krug in einem Zug fast zur Hälfte aus. Daraufhin schnappte ich derartig nach Luft, daß ich endgültig verstummte. Im Krug war Branntwein, reinster Branntwein, und er brannte meine Wut fort, fegte durch mich hindurch wie ein Besen beim Ausmisten eines Stalles. »Aaargh«, schnaufte ich. »Aargh.«
    »Genau.« Sie gab mir das Holzbrett. »Wenn du mit deinem Vortrag nun endgültig fertig bist, mein Sohn, werde ich deine Anschuldigungen beantworten. Wie alt bin ich deiner Meinung nach? Ach, gleichgültig … du wirst ja wohl nicht annehmen, daß ich tausend Jahre alt bin, oder? Dachte ich mir. Also, dann kann ich die Verantwortung für diesen Ort, von dem du sprichst, für mindestens neunhundertundnochwas Jahre von mir weisen. Seitdem ich merkte, daß dieser Ort einen Fluch für das Tal von Schlaizy Noithn bedeutet, habe ich dreimal versucht, die Sache in Ordnung zu bringen. Zuerst probierte ich, ein paar dieser halsstarrigen Unveränderlichen in das Tal zu holen, aber sie weigerten sich. Sie meinten, es sei nicht ihr Problem, ob dieser Ort ein paar tausend Spieler mehr oder weniger verschlänge. Dann versuchte ich, einen bekannten Heiler hierher zu bringen, aber er weigerte sich ebenso. Es sei unwahrscheinlich, daß er Erfolg habe, meinte er. Mein dritter Versuch gelang. Schloß Jammer ist zerstört, und du bist hier, ißt gebratenes Geflügel, was nicht das Schlechteste ist.«
    Ich starrte sie ungläubig an. Hatte sie mich absichtlich dort hinein geschickt?
    »Ich hatte recht, nicht wahr? Es war wahnsinnig?«
    »Es war tot«, murmelte ich. »Tot, und ich könnte jetzt auch tot sein …«
    »Unsinn. Du bist mein Sohn. Du bist ein Wandler. Wandler von Mavins Familie werden nicht einfach ›getötet‹. Dazu sind wir viel zu wandlerisch, zu schlau, zu gewitzt … Außerdem warst du nicht allein.«
    Der Branntwein hatte meine Finger und Fußzehen erreicht und wärmte sie kitzelnd und angenehm. Das Essen glitt mir die Kehle hinunter. Ich konnte nicht mehr die Kraft aufbringen, mich weiter zu ärgern. »Du hast mich betrunken gemacht«, sagte ich anklagend.
    »Ich weiß, wie man mit Hysterikern umgeht«, erwiderte Mavin ungerührt. »Du hast dir wirklich Zeit gelassen, hierher zu kommen. Hat dich die Einladung verwirrt?«
    »Nein … nein. Ich wollte kommen. Aber es gab andere, die wollten, daß ich nicht fortging. So verging die Zeit.«
    »Und die Reise? Kamst du gut voran?«
    »Das Schlimmste war der Händler. Ich dachte, er brächte mich um. Er versuchte …«
    »Nicker? Ein schmaler Mann mit breitem Mund? Einem Mund voller Lächeln und Oberflächlichkeiten?
    Mit Augen, die so kalt sind wie schmutziges Eis und Feuerstein? Ist es der?«
    Ich nickte zustimmend. »Wie dumm von mir, auf ihn hereinzufallen. Wie dumm … Aber er ließ einfach nicht locker …«
    »Ja, das ist seine Art.« Ihre Stimme knirschte.
    »Ich brauchte eine Weile, bis ich begriff, daß er mich töten wollte. Oder irgend etwas mit mir anstellen. Ich bin mir nicht ganz sicher, was.«
    »Wie versuchte er es?«
    »Vergifteter Wein. Vielleicht war auch ein Schlafmittel darin. Ja, vermutlich ein Schlafmittel, denn er geriet außer sich, als ich ihn davon

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