Das Wahre Spiel 02 - Der Nekromant
überzeugte, daß ich tot sei.« Ich redete weiter, berichtete ihr stoßweise, was während der Reise passiert war, wobei ich nichts ausließ bis auf das, weshalb ich ursprünglich mit einer solchen Eile zu ihr aufgebrochen war. Naja, ich war voller Branntwein. Als ich ihr von meinen vielen Prüfungen in Schlaizy Noithn erzählte, schüttelte sie den Kopf.
»Wir nennen es das Denkmal von Thandbar, aber im Grunde ist es nicht viel mehr als eine Kinderstube. Viele dort haben ihr Talent gerade entwickelt, oder sind sehr jung oder beschränkt. Sambeline besitzt nur drei Gestalten, ihre eigene, den Pombi und eine Eule. Eine Menge Wandler dort sind Wereulen oder Werpombis. Einige neigen zu Experimenten oder sind einfach verrückt, Frauen und Männer, die das Talent nicht beherrschen, sich wandeln und dann irgendeine seltsame Gestalt annehmen. Straßen zum Beispiel, die reden. Sprechende Hügel. Manche experimentieren sich in Formen, aus denen sie sich nicht mehr befreien können. Schloß Jammer war wahrscheinlich so ein Fall. Ich habe oft überlegt, daß es sich lohnen würde, ein paar Unveränderliche hier zu haben, um diese Armen befreien können, aber ich war nicht imstande, die Unveränderlichen davon zu überzeugen.«
»Sie halten nicht viel von Spielern.« Ich gähnte. »Obwohl Rätsel sehr freundlich zu mir war.«
»Nun, vielleicht können wir uns auf diese Freundlichkeit eines Tages einmal berufen. Erzähl mir von meiner Familie. Wie geht es Mertyn? Schmiedet er immer noch Pläne mit Himaggery und Windlow?«
Ich verfluchte mich selbst. Sie wußte es nicht. Ich hatte über eine Stunde essend und trinkend bei ihr am Feuer gesessen, und sie wußte immer noch nicht Bescheid. Mit einem Wortschwall platzte ich alles heraus – daß Himaggery und Windlow verschwunden waren, Mertyn sich in der Leuchtenden Domäne aufhielt. Sie schaute mich mit erstarrtem Gesicht an, im Augenwinkel verdächtige Feuchtigkeit.
»Himaggery verschwunden? O Götter des Spieles, ich befürchtete, daß so etwas passieren würde. Er ist ein liebenswerter Mann, voller Saft wie eine reife Frucht.« Sie hielt inne und sagte dann: »Er ist dein Vater. Ich erinnere mich gern an ihn, er sich aber nicht an mich. Er hätte gern gehabt, daß ich bei ihm geblieben und mit ihm zusammengelebt hätte wie das bäurische Weib eines Hufschmieds – ich, Mavin Vielgestalt, der die Welt nicht groß genug sein kann! Ich verließ ihn gegen seinen Willen, und deshalb mag er mich nicht mehr.«
»Weiß er es? Ich meine … weiß er, daß er mein Vater ist?«
»Er weiß, wie alt du bist und daß ich deine Mutter bin, und eigentlich müßte er zwei und zwei zusammenzählen können. Ja, ich vermute, daß er es weiß. Nicht, daß das wichtig wäre. Was ich ihm damals auch sagte, aber er hatte den Kopf voll bäurischer Ideen. Genug davon … Ob er mich noch mag oder nicht, ist gleichgültig, ich möchte trotzdem nicht, daß er einfach in den Schatten verschwindet wie so viele andere unserer Freunde auch. Mertyn tat gut daran, dich zu mir zu schicken. Tja, was machen wir jetzt am besten?«
»Mertyn wollte, daß ich sie finde, nach ihnen suche. Er bat mich, überall nach ihnen zu forschen, als Nekromant …«
»Das ist zwecklos. Die Verschwundenen sind nicht tot. Das ist uns schon seit Jahrzehnten klar. Aber sie leben auch nicht, denn die Unterherolde können sie nicht finden. Nein, sie sind in das Land von Dingold, dem Ort der Schatten, gegangen, und wir müssen uns verwandeln, um sie dort zu finden. Nicker zum Beispiel weiß etwas, da kannst du Gift drauf nehmen.«
Diese plötzliche Gesprächswendung traf mich überraschend, und Mavin merkte das und deutete von der Höhe, auf der wir saßen, zu dem Platz unten, der langsam ins Licht kam, als der Schatten der Nacht kürzer wurde. Ich schaute auf etwas hinab, was noch sonderbarer wirkte als Schlaizy Noithn, denn es wies keine Ähnlichkeit mit irgend etwas auf, das ich kannte.
Das eigenartige Gebilde sah aus, als hätte das Kind eines Riesen eine Spinne aus Lehm, Fetzen und Fäden gebastelt, aus Rattenfell und Schlamm, und dieses Tier dann auf einen steinernen Teller gesetzt, so daß seine Beine rundum über den Tellerrand ragten und seine Augen in alle Richtungen funkelten. Wenn das Kind dann noch Türme aus Lehm gebaut und zwischen die Beine der Spinne aufgestellt hätte, jeden Turm mit Türen am Sockel, die wie Gesichter geformt waren, jedes Gesicht ein aufgerissenes Maul in der Dunkelheit, und wenn dieses Kind das
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