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Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent

Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent

Titel: Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Meilen sich schlängelnden Weges, über den sich mit steinernen Lippen kleine schmale Stollen öffneten. Überall lag Kies, übriggeblieben, nachdem die Männer die Schwermetalle, die von den Grolen nicht verdaut wurden, herausgewaschen hatten. Hufe auf Kies ergeben ein unaufhörlich schabendes Geräusch, ein unablässiges Knirschen. Im Tal unten wuchsen nur ein paar schmutzige Bäume, so hoch lagerte die Staubschicht entlang der spärlich plätschernden Wasserläufe. Hin und wieder flatterte ein Vogel mit einem zitternden, pfeifenden Ruf von Baum zu Baum. Die Luft war ruhig, man roch nichts. Männer riefen von einem Berg zum anderen hinüber, das Echo ihrer langgezogenen Rufe verklang in der Stille, während wir halb eingedöst und knirschend vor uns hinritten.
    Dann, auf einmal, bewegte sich vom Süden her ein Schatten über uns, eine frostige Dunkelheit, die fast alle Töne und Farben in der Welt auslöschte. Nur noch das Knirschen des Kieses war zu hören, aber weit entfernt, als lägen dicke Schichten Gaze dazwischen. Der Ruf der Vögel klang wie aus einem Traum. Wir ritten in einer Welt, in der alles weit entfernt war – und ohne Zusammenhang. Irgend etwas ging an uns vorbei, dem Norden zu, und wir hörten ein paar Töne Musik, und eine Stimme in uns sagte: ›Verwandter, hilf mir.‹ Sobald wir diese Worte vernommen hatten, traf uns Luft wie ein Peitschenhieb, und die Stille war verschwunden. Staub wirbelte um uns herum auf und wir husteten, denn die Luft war plötzlich kalt und schmeckte nach Sturm.
    Jinian keuchte: »Das war ein wilder, kranker Wind.« Dann beugte sie sich über den Pferdehals und versuchte, den Staub aus der Kehle zu husten.
    Uns allen dreien liefen Tränen über die Wangen, alle drei weinten wir wie jeglicher Hoffnung beraubt. Die Stimme, die wir gehört hatten, war ohne Gefühl gewesen, und doch hatten wir eine schreckliche Einsamkeit und Verzweiflung aus ihr herausgehört. Wir brauchten mehr als eine Stunde, um mit Weinen aufzuhören, und ich weinte länger als die Frauen, beinahe, als hätte die Stimme zu mir auf eine andere Weise gesprochen als zu ihnen. Ich war nicht sicher, ob mir diese Vorstellung oder Jinians mitleidiger Seitenblick gefielen. Diese junge Frau schien bereits entschieden zu viel von mir zu begreifen.
    Kurz danach brach die Nacht herein, sanft und purpurfarben. Die Vogelrufe machten dem Quaken kleiner Frösche am Wegrand Platz. Ich hörte den Schrei eines Speckstreifengeiers am Himmel, ein Ton wie betäubt vom goldenen Schein der Sonne, die hoch dort oben noch brannte. Der Falke zog weite, funkelnde Kreise, bis die Dunkelheit ihn zu umhüllen begann, und dann war es Nacht, wir konnten nicht weiterreiten. Wir unterhielten uns über die Musik, die Stimme, den Wind.
    »Wir müssen vernünftig denken«, murmelte Jinian.
    »Die Dinge passieren nicht einfach willkürlich, ohne Grund, ohne einen Sinn im Spiel.«
    »Falls es sich wirklich um ein Ding handelt«, sagte Seidenhand, »und nicht um einen Geist ohne Verstand.«
    »Ein Geist ohne Verstand, der uns Verwandte nennt?« Jinian, zweifelnd.
    »Uns alle oder nur einen von uns?« fragte ich. »Und welchen?«
    »Und uns um Hilfe bat«, grübelte Jinian. »Wie könnten wir ihm helfen?«
    »Wir können nur abwarten«, sagte ich. Ich zog nicht einmal entfernt in Erwägung, Didir oder einen der anderen zu rufen – nicht einmal Windlow. Ich war mir ganz sicher, daß dieses Ding, was immer es gewesen war, wiederkommen würde, und im Augenblick würde auch die größte Anstrengung, mehr darüber zu erfahren, nutzlos sein. Ich wußte es.
    Also aßen wir den Proviant, den man uns in Dreibuckel eingepackt hatte, ließen unsere Gedanken müßig wandern und wurden immer niedergeschlagener.
    »Ich habe den ganzen Tag an Dazzle gedacht«, sagte Seidenhand. »Als der Ghul mit seinem Gefolge auftauchte, haben mich die Totenköpfe an sie erinnert. Daran, daß sie möglicherweise noch lebt, dort in den alten Katakomben unter Bannerwell. Aber wahrscheinlich ist sie tot, so jung sie auch war. So wenige von uns werden alt, Peter. Windlow war alt, aber auch er ist fort. Himaggery und Mertyn sind nicht alt. Es gibt so wenig Alte. Ich dachte, ich würde vielleicht alt werden können …«
    Ich versuchte, sie zum Lachen zu bringen. »Wir werden zusammen alt werden, Schatz. Wenn du so alt bist, daß du an einer Krücke herumtaperst, jage ich dich durch die Küche, bis du hinfällst und dich auf dem Teppich rollst.« Offenbar traf ich damit nicht

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