Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent
innen.
Und schließlich …
Ich tat einen tiefen Atemzug und begriff zum ersten Mal wirklich richtig die Bedeutung dessen, was Queynt mir erzählt hatte. »Barish«, sagte ich. Er lag vor mir, in die bestickte Robe eines Zauberers gehüllt, mit zwei kleinen steilen Falten zwischen den Augenbrauen, die seine Konzentration sogar an diesem Ort anzeigten.
»Barish«, stimmte Jinian zu. »Er hat ein gutes Gesicht.«
Er hatte wirklich ein gutes Gesicht, ziemlich lang und knochig, mit dunklen buschigen Brauen und einer knubbligen Nase über breiten, spöttischen Lippen.
»Ich hatte nicht erwartet, ihn hier zu finden«, sagte ich.
»Nur seinen Körper«, erwiderte sie. »Queynt sagte, er wurde jedesmal in einem anderen Körper erweckt.«
»Vielleicht ist er nicht erweckt worden. Vielleicht befindet sich sein Blauer noch hier, irgendwo.«
»Falls dem so war«, sagte sie nüchtern, »hat Rätsels Großvater ihn mit dem Rest zusammen nach Dindindaroo geschafft.«
Trotzdem schauten wir gründlich nach. In den Mauern waren Kabinette eingelassen, und Türen führten zu weiteren Räumen. Wir fanden Bücher, Apparate. In einem Raum, den wir als Barishs eigenen erkannten, gab es einen gläsernen Kasten, der den Abdruck eines Spielsatzes zeigte, der sich aber nicht mehr darin befand. Das Onomasticon paßte haargenau in eine Lücke im Bücherregal. Hier also war der Ort, von dem Rätsels Großvater die Schätze entfernt hatte, die er geschworen hatte zu bewahren.
Wir kehrten in das vorderste Gewölbe zurück. Die Maschine befand sich dort, hinter einer flachen Mauer. Ein winziges Licht blinkte langsam auf ihrer Kontrollpaneele.
»Energie ist noch vorhanden«, sagte ich.
Dann schwieg ich einige Zeit.
Dann: »Laß uns hinausgehen. Ich muß nachdenken.«
Jinian warf mir einen langen Blick zu, sagte aber nichts, bis wir über das Geröll nach oben geklettert und im Freien angekommen waren. Die kleinen Leute begleiteten uns, untereinander schwatzend. Als wir Proviant aus den Satteltaschen holten, umringten sie uns, und ich stellte fest, daß es mehr waren, als wir verköstigen konnten. »Ich muß auf die Jagd gehen«, sagte ich. »Sie werden gern hier bleiben. Ihr Wort für Feuer ist ›thruf‹. Wenn du mit ihrer Hilfe eines am Brennen halten kannst, sorge ich für Fleisch.«
Jinian versuchte, mir etwas zu sagen, aber ich wartete nicht ab. Statt dessen wandelte ich mich in einen Fustigar und trollte mich zwischen den Felsen davon. Ich wollte nicht nachdenken, und das kann man ausgezeichnet vermeiden, wenn man sich WANDELT. Ich dachte nicht, ich jagte einfach. In dieser Gegend gab es große Laufvögel, Nachttiere, sowie eine Art kleinerer Verwandter der großen Krylobos, die zwar flink, aber nicht flink genug waren. Ich fing mehrere von ihnen, brach ihnen mit raschen Aufwärtsbewegungen meines Kopfes das Genick. Weshalb war ich bloß so aufgebracht? Kam es von meiner Wandlung in einen Fustigar oder steckte etwas anderes dahinter?
Vielleicht kam es daher, daß ich mir meines Knochenbaues so bewußt war, der langen verbundenen Knochen zwischen meinen Hinterläufen und Vorderbeinen, den kürzeren Knochen zwischen den Hinterläufen, der flachen offenen Stelle, wo ein Schwanz hätte sein können, aber nicht war, den gebogenen Knochen zwischen Schultern und Kopf, der Biegung der flexiblen Rippen, die diese Struktur überwölbten und in der alle Muskeln verankert waren …
Das sternenförmige Skelett dieser Welt. Nicht wie die Struktur unserer Welt, die vom Rückgrat getragen wurde, was immer diese unsere Welt auch gewesen sein mochte. Nein, diese Welt hier, in die wir uneingeladen gekommen waren und die uns sicher Ruin und Zerstörung verdankte. Und in der wir trotzdem noch immer willkommen waren. Die Schattenmenschen warteten am Feuer mit Jinian zusammen auf das leckere Mahl, das ihr Freund ihnen bringen würde. Peter, würden sie in die Dunkelheit hineinrufen, Peter, eter, eter, und auf ihren silbernen Flöten spielen, ihre Glöckchen läuten lassen, wie früher die Knochen mehrmals beschnuppern, und sich dicht an den Felsen zum Schlaf zusammenkauern. Und ein bißchen an Thandbar knabbern und dafür das Hinterteil versohlt bekommen.
Und im Höllenschlund waren sie Fleisch für Huld. Das hatte der Portierer erzählt, lachend, während er anderes Fleisch am Lagerfeuer aß.
Etwas Bitteres brannte in meiner Kehle, der Kehle eines Fustigars, ein Schmerz preßte mein Herz zusammen, das Herz eines Fustigars. Nein, ich konnte sie
Weitere Kostenlose Bücher