Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent
kamen die Stimmen, die nach mir riefen?
Warum schrie Dorn so laut? Weshalb störte Didir mich mit ihrer Stimme? Heraus? Wo heraus? Heraus aus was? Die Geheimnisse, die mich umgaben, waren aufregend. Warum sollte ich sie verlassen?
Klang das nach Jinian? Seidenhand? Ich fühlte Hände an mir ziehen, mich schieben, eine Person, die meine Adern entlang lief und meine Nerven und an meinen Knochen zerrte. Ich wollte ihnen sagen, sie sollten das lassen, aber dazu hätte ich einen Mund und eine Lunge gebraucht. Einen Mund. Eine Lunge.
Panik brach über mich herein. So mußte sich jemand fühlen, der halb ertrunken versucht, an die Wasseroberfläche zu kommen, nach Luft zu schnappen, ohne jedoch atmen zu können. Jemand half mir innerlich. Seidenhand …
Ich lag auf dem Steinboden, und Seidenhand und Queynt beugten sich über mich und schrien und brüllten auf mich ein.
»Narr, Narr!« schrie Seidenhand. »Selbst Mavin hätte etwas Derartiges nicht probiert.«
»Du Dummkopf!« weinte Jinian. »O Peter, du bist ein hoffnungsloser Fall, und ich liebe dich.«
Ich fürchtete mich nicht, bis ich erfuhr, was ich getan hatte, und daß ich fast zwei Tage lang versucht hatte, eine Maschine zu werden. Seidenhand war erschöpft und ausgelaugt. Seit ihrer Ankunft war sie damit beschäftigt gewesen, mich wieder zu befreien. Wenn mein Leben zu retten der einzige Grund für sie gewesen war, in die Einöde von Bleer zu kommen, so war ich Windlow dankbar für seine Vision und dem Sänger für sein Lied. Sie war es gewesen, die in meinen Körper hineingegangen und ihm in den Wahnsinn hinabgefolgt war, die ihn aus seiner merkwürdigen Besessenheit befreit hatte. Als ich von ihrer Anstrengung und meiner Dummheit erfuhr, weinte ich bittere Tränen der Enttäuschung.
»Ich weiß nicht, warum die Maschine nicht arbeitet«, gestand ich.
»Und ich auch nicht, mein Junge«, sagte Queynt. »Ich hatte nie viel Ahnung von Reparaturen. Wir hatten Techniks, die nur für diese Arbeiten ausgebildet waren. Vielleicht sind hier irgendwo noch Bücher, und vielleicht auch die Teile, die wir bräuchten, aber ich schließe mich eigentlich Jinians Meinung an. Wenn Barish die Maschine hätte in Ordnung bringen können, würde er es getan haben.«
»Ich finde es makaber«, sagte König Kelver, »daß tausend Jahre alte Pläne scheitern, nur weil ein einziger Mechanismus versagt.«
Ich konnte ihm nur aus tiefstem Herzen zustimmen. Trotzdem fehlte mir die Zeit für solch feinsinnige philosophische Gedankengänge aufgrund der Neuigkeiten, die Kelver mitgebracht hatte. »Der Portierer sagte mir gestern nacht, daß Huld im Anmarsch sei«, erzählte der König. »Ich muß ihm sagen, wo Ihr euch aufhaltet, sobald er eintrifft. Die Ungeduld ergriff ihn, und er verließ den Höllenschlund letzte Nacht.«
Innerhalb weniger Sekunden erdachte und verwarf ich Hunderte von Ideen. Ich könnte Wafnor nehmen und einen Berg herabfallen lassen. Buinel könnte die Knochen in Flammen aufgehen lassen, wenn sie sich uns näherten. Hafnor könnte mich zur Leuchtenden Domäne portieren, um dort erneut Hilfe zu erbitten. Didir könnte Hulds Gedanken lesen. Alle diese Gedanken stürmten wild auf mich ein, bis Jinian meine Hand nahm und ich wußte, daß sie ihnen gefolgt war, als ob sie sie hätte lesen können.
»Peter … Du kannst zwei oder drei der Spielfiguren auf einmal benutzen. Falls es hart auf hart kommt, wirst du das schaffen, und wir würden alle für deinen Erfolg beten. Aber wieviel besser wäre es, sie würden alle auf unserer Seite kämpfen!«
Natürlich hatte sie recht. Ich lehnte mich gegen ihre Schulter und seufzte tief auf, halb aus Erschöpfung, halb aus Müdigkeit, wobei ich die ganze Zeit über an gebratenes Geflügel dachte. Meine Erschöpfung entsprang schlicht dem Hunger, und das sagte ich auch. Jinian behob dieses Übel sogleich, als ich darüber sprach, indem sie mir einen Becher mit heißer Suppe in die Hand drückte, in den hartes Brot gebrockt war. Während ich mit einer Art müder Gier aß, sprach Jinian weiter.
»Wir übersehen etwas Wichtiges«, sagte sie. »Etwas ganz Einfaches und Offensichtliches. Das Lied, das wir in Xammer hörten, stammte aus der Minchery in Leamer, wo eine junge Liedschreiberin davon geträumt hatte. Die gleiche Musik vernahmen wir, als der Riese in den Bergen hinter Dreibuckel an uns vorüberging. Auf irgendeine Weise kam die Musik von Thandbar, und Thandbars Blauer befindet sich in deiner Tasche. Die Trennung von
Weitere Kostenlose Bücher