Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent
Ernte haben‹ – mit klangvoller, leidenschaftlicher Stimme. In Thandbars Innerem LAS ich Glaube, dann Zweifel, jahrhundertelangen Zweifel, dann maßlosen Schrecken bei dem Gedanken an ewige Gefangenschaft. Aus diesem Schrecken heraus war er wie Nebel geflohen, um durch die Welt zu schreiten und seine Verwandten zur Hilfe zu rufen.
So flogen die Bilder durch meinen Kopf, während der Blaue in meiner Hand schmolz, ein konturloser Klumpen wurde, ein Tropfen. Dann war er verschwunden. Der Körper vor uns regte sich, regte sich noch einmal, bis sich die Augen schließlich öffneten, der Mund sich bewegte. »Ich träumte von euch, Heilerin«, flüsterte eine Stimme eingerostet vor Alter und Staub. »Ich träumte von euch.« Die Augen blinzelten, blinzelten, versuchten, etwas zu erkennen. Ich wußte, daß sie nur Lichtreflexe sahen, schwache Schatten. Zuletzt hefteten sie sich auf mich, und die staubige Stimme sagte. »Verwandter. Danke.«
Daraufhin folgte eine lange Zeit, die ich nur verschwommen in Erinnerung habe, und in der Seidenhand erschöpft auf dem Boden lag und ich zitternd wie ein Windgong, der unaufhörlich geschlagen wird, auf der Stelle hockte, bis die anderen uns packten – uns zwei und Thandbar – und uns fest und warm in Decken wickelten und uns dem fröhlichen Pfeifen und dem Jubel der Schattenmenschen überließen. Es war Nacht. »Wie lang?« flüsterte ich Queynt zu.
»Ihr wart beide bereits erschöpft, als ihr begonnen habt«, sagte er. »Für heute müßt ihr Schluß machen. Seidenhand kann auf keinen Fall mehr leisten. Morgen solltet ihr Dealpas wecken. Sie kann euch helfen. Dann Didir, denn sie kann tun, was du getan hast, falls ich alles richtig verstanden habe.« So schlief ich. Knochen marschierten gegen uns auf, vom Ende der Welt her, und ich schlief. Das Grauen sammelte sich und stampfte mit Pauken und Trompeten in unsere Richtung, und ich schlief. Selbst als zum Galgen Verurteilter, der gerade zum Schafott geführt wurde, hätte ich geschlafen. Nicht der geringste Funken Kraft war mehr in mir, um mich wachzuhalten, und der Morgen kam und wurde fast zum Mittag, bevor ich aufwachte und Seidenhand neben mir sitzen sah. Sie wirkte ein bißchen blaß, aber entschlossen.
»Komm«, sagte sie. »Wir wollen Dealpas wecken.« Das taten wir, wenn auch Barishs Heilerin nicht gern geweckt wurde. Sie kämpfte die ganze Zeit gegen uns, klagend und weinend, mit einer Haltung, als sei sie der einzige Mensch auf der Welt, der jemals Schmerz empfunden hätte. Ihr Jammern ging uns auf die Nerven, und ich war schon nahe daran, sie einfach für immer liegenzulassen, aber Seidenhand gestattete das nicht. Ich spürte, wie sie etwas tat, was ich noch nie zuvor erlebt hatte – eine Art geistiger Tracht Prügel, die wie das Zischen einer Schlange die Nervenbahn entlangfuhr –, und somit hatten wir schließlich Dealpas’ Aufmerksamkeit doch noch gewonnen. Als wir sie wach bekommen hatten, ging das Jammern von vorn los, wenn auch nur noch halbherzig, und Jinian mischte sich ein, um Dealpas endgültig wachzuschütteln.
»Ich habe kein Verständnis für diesen Quatsch vom gebrochenem Herzen und gepflückten Blatt«, schrie sie in das schmollende Gesicht der Heilerin. »Ich weiß nicht, warum Barish Euch für würdig erachtete, zu seinen Elf zu gehören, warum er gerade Euch unter allen Heilern auswählte. Vielleicht gab es einfach damals keine anderen zur Auswahl. Wie dem auch sei, die Beste seid Ihr auf keinen Fall. Ihr seid nicht einmal gut genug, Seidenhands Schleppe zu tragen, aber Ihr werdet jetzt das tun, was von euch verlangt wird, oder ich werde Euch lehren, was Schmerz bedeutet, beim Riesen von Thandbar!«
Dealpas war tief verletzt, wütend, ihr Schmerz vergessen. Ich verknüpfte mich mit ihr, wenn auch zögernd, um Didir zu wecken, und während dieser Verbindung begriff ich, was Dealpas auf einen solch weinerlichen Jammerpfad gebracht hatte. Barish hatte sie süß gefunden, sie gehätschelt und bemuttert, und je mehr sie jammerte, desto mehr wurde sie verhätschelt. Da begann ich zu bezweifeln, daß Barish der war, für den ich ihn gehalten hatte. Ein Zauberer sicher, aber doch nicht so weise, sonst hätte er sie kaum so verwöhnt.
Wir arbeiteten nicht so gut zusammen wie Seidenhand und ich, aber Didir half selbst von innen mit, ihren Körper zu wecken, und so ging dann doch alles zufriedenstellend zu Ende. Sie erhob sich mit einer einzigen fließenden Bewegung von ihrem Podest, in keiner Weise
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