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Das wahre Wesen der Dinge (German Edition)

Das wahre Wesen der Dinge (German Edition)

Titel: Das wahre Wesen der Dinge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ted Chiang
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gesammelt hat, könnte ich wohl keine echten Einwände vorbringen.«
    »Ah ja«, sagt Derek und nickt. »Daran hätte ich bei meinem Gespräch mit Marco denken sollen.« Man müsste die Digis also zu sexuellen Wesen machen, aber ohne Verkaufsabsicht – noch mehr Ausgaben für die Usergruppe, und das, nachdem der Port von Neuroblast fertiggestellt ist. »Aber das wird viel Zeit in Anspruch nehmen.«
    »Klar, aber es hat ja keine Eile, die Digis zu sexuellen Wesen zu machen. Lieber warten wir, bis wir es richtig machen können.«
    Lieber den Zeitpunkt der Volljährigkeit später ansetzen, als die Risiken eingehen, die eine zu niedrige Altersgrenze mit sich brächte. »Und bis dahin müssen wir auf sie aufpassen.«
    »Genau! Ihre Bedürfnisse sollten an erster Stelle stehen.« Ana scheint dankbar für seine Zustimmung, und er gibt sie ihr gerne. Dann kehrt die Anspannung in ihre Miene zurück. »Ich wünschte nur, Kyle würde das verstehen.«
    Er sucht nach einer diplomatischen Antwort. »Ich weiß nicht recht, ob das irgendjemand kann, der nicht so viel Zeit mit ihnen verbracht hat wie wir«, sagt er. Es soll keine Kritik an Kyle sein – wirklich nicht.
    9
    Seit der Präsentation von Binary Desire ist ein Monat vergangen, und Ana befindet sich mit ein paar Neuroblast-Digis auf Erde 2.1 und wartet auf die Ankunft ihrer Besucher. Marco erzählt Lolly gerade vom letzten Kapitel seiner Lieblings-Spieleserie, während Jax einen selbst ausgedachten Tanz übt.
    »Schau«, sagt er.
    Ana sieht zu, wie er in rascher Folge durch mehrere Stellungen wechselt. »Denk daran, wenn sie hier sind, musst du darüber sprechen, was du gebaut hast.«
    »Ich weiß, du hast das ganz oft gesagt. Ich hör mit tanzen auf, wenn sie sind hier. Will nur bisschen Spaß haben.«
    »Tut mir leid, Jax. Ich bin einfach etwas nervös.«
    »Schau zu, wie ich tanze. Dann du fühlst dich besser.«
    Ana lächelt. »Danke, ich versuch’s.« Sie atmet tief durch, darum bemüht, sich zu entspannen.
    Ein Portal öffnet sich, und zwei Avatare treten hindurch. Sofort hört Jax auf zu tanzen, und Ana lässt ihren Avatar zu den Besuchern hinübergehen, um sie zu begrüßen. Die Bildschirmunterschriften identifizieren sie als Jeremy Brauer und Frank Pearson.
    »Ich hoffe, Sie hatten keine Schwierigkeiten hereinzukommen«, sagt Ana.
    »Nein«, sagt Pearson. »Mit den Log-ins, die Sie uns gegeben hatten, war das kein Problem.«
    Brauer sieht sich um. »Die gute alte Erde 2 .« Sein Avatar zieht am Zweig eines Strauchs, lässt ihn los und beobachtet, wie er zurückschnellt. »Ich weiß noch, wie aufregend es war, als Daesan sie auf den Markt brachte. Damals war sie der neueste Stand der Technik.«
    Brauer und Pearson arbeiten für Exponential Appliances, einen Hersteller von Haushaltsrobotern. Die Roboter sind Musterbeispiele altmodischer KI; ihre Fähigkeiten sind eher einprogrammiert als erlernt, und auch wenn sie praktisch und eine echte Hilfe sind, haben sie kein Bewusstsein im eigentlichen Sinne. Exponential bringt regelmäßig neue Versionen heraus und preist jede davon als weiteren Schritt hin zum Traum der Kunden an: eine vollkommene KI, ein Butler, der auf Knopfdruck aufmerksam und treu ergeben ist. In Anas Augen sind diese vielen Upgrades wie eine Jagd nach dem Horizont, bei der man glaubt, Fortschritte zu machen, während man in Wahrheit dem Ziel nie näher kommt. Aber die Roboter werden gekauft und haben bei Exponential für eine ordentliche Bilanz gesorgt, und um genau diese geht es Ana.
    Sie will den Neuroblast-Digis keine Jobs als Butler besorgen; für eine solche Arbeit sind Jax und die anderen eindeutig zu eigenwillig. Brauer und Pearson arbeiten nicht einmal für die Werbeabteilung der Gesellschaft, vielmehr gehören sie zur Forschungsabteilung, der eigentlichen Triebfeder für die Gründung von Exponential. Mit den Haushaltsrobotern finanziert Exponential die Entwicklung von KI, wie Technokraten sie sich erträumen: ein Wesen, das aus reinem Denken besteht, ein Genie ohne den Ballast eines Körpers oder irgendwelcher Emotionen, einen gigantischen Intellekt, kühl und doch sympathisch. Sie warten darauf, dass eine voll entwickelte Software-Athene das Licht der Welt erblickt, und Ana wird zwar nicht so unhöflich sein, ihnen zu sagen, dass sie darauf wohl ewig warten werden, aber sie hofft, Brauer und Pearson von den Neuroblast-Digis als brauchbarer Alternative überzeugen zu können.
    »Vielen Dank für Ihr Kommen«, sagt Ana.
    »Es ist uns ein

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