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Das wahre Wesen der Dinge (German Edition)

Das wahre Wesen der Dinge (German Edition)

Titel: Das wahre Wesen der Dinge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ted Chiang
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zubereitet wurde. Etwas Besseres gibt es nicht.«
    Da Stratton sonst keine Puppen sah, verließ er den Markt und ging weiter, in Gedanken wieder bei Willoughbys Worten vom Vortag. Ohne die Kooperation der Bildhauergewerkschaft würde er sich mit unabhängigen Bildhauern behelfen müssen. Das hatte er bisher noch nie getan, und er würde sich eingehend erkundigen müssen: Angeblich stellten diese Bildhauer nur Körper her, die für den Gebrauch mit allgemein verfügbaren Namen gedacht waren, aber bei manchen von ihnen verbargen sich dahinter Patentverstöße und Raubkopien, und jegliche Verbindung mit ihnen konnte seinen Ruf für immer ruinieren.
    »Mr. Stratton.«
    Stratton blickte auf. Vor ihm stand ein kleiner, drahtiger Mann, der einfach gekleidet war. »Ja? Kenne ich Sie, Sir?«
    »Nein, Sir. Mein Name ist Davies. Ich stehe im Dienst von Lord Fieldhurst.« Er überreichte Stratton eine Visitenkarte mit dem Wappen der Fieldhursts.
    Edward Maitland, dritter Earl von Fieldhurst und gleichzeitig ein bekannter Zoologe sowie vergleichender Anatom, war der Präsident der Royal Society. Stratton hatte ihn auf Versammlungen der Gesellschaft sprechen hören, aber sie waren einander nie vorgestellt worden. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Lord Fieldhurst würde, sobald es Ihnen möglich ist, gerne über Ihr jüngstes Projekt mit Ihnen sprechen.«
    Stratton fragte sich, wie der Earl wohl von seiner Arbeit gehört hatte. »Wieso haben Sie mich nicht in meinem Büro aufgesucht?«
    »Lord Fieldhurst bevorzugt in dieser Angelegenheit Diskretion.« Stratton hob die Augenbrauen, doch Davies erläuterte das nicht weiter. »Sind Sie heute Abend verfügbar?«
    Es war eine ungewöhnliche Einladung, aber dennoch eine Ehre. »Gewiss. Bitte unterrichten Sie Lord Fieldhurst davon, dass ich hocherfreut bin.«
    »Heute Abend um acht Uhr wird vor Ihrem Haus eine Kutsche auf Sie warten.«
    Davies tippte sich an den Hut und ging.
    Zur vereinbarten Stunde traf Davies mit der Kutsche ein. Es war ein luxuriöses Gefährt, das innen mit lackiertem Mahagoni, poliertem Messing und gebürstetem Samt ausgestattet war. Die Zugmaschine war ebenfalls ein wertvolles Stück, ein aus Bronze gegossenes Ross, das für Fahrten zu vertrauten Zielen keinen Kutscher brauchte.
    Davies lehnte es höflich ab, während der Fahrt irgendwelche Fragen zu beantworten. Ganz offensichtlich war er kein Diener oder Sekretär, doch Stratton hätte nicht sagen können, welche Funktion er innehatte. Die Kutsche trug sie aus London hinaus aufs Land, bis sie Darrington Hall erreichten, eines der Anwesen der Familie Fieldhurst. Nachdem sie das Haus betreten hatten, führte Davies Stratton durch die Eingangshalle und geleitete ihn dann in ein elegant ausgestattetes Studierzimmer; er schloss die Türen, ohne selbst einzutreten.
    Am Schreibtisch des Studierzimmers saß ein breitschultriger Mann, dessen Jacke und Halstuch aus Seide waren; buschige graue Koteletten zierten seine fleischigen, tief gefurchten Wangen. Stratton erkannte ihn sofort.
    »Lord Fieldhurst, es ist mir eine Ehre.«
    »Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Mr. Stratton. Sie haben in letzter Zeit ausgezeichnete Arbeit geleistet.«
    »Das ist überaus freundlich von Ihnen. Es war mir nicht bewusst, dass die Öffentlichkeit von meiner Arbeit Notiz nimmt.«
    »Es ist mein Bestreben, Dinge dieser Art im Auge zu behalten. Bitte erzählen Sie mir doch, was Sie darauf gebracht hat, derartige Automaten zu entwickeln.«
    Stratton erklärte ihm sein Vorhaben, Antriebsmaschinen herzustellen, die sich jeder leisten konnte. Fieldhurst lauschte interessiert und streute gelegentlich kluge Anmerkungen ein.
    »Ihr Anliegen ist bewundernswert«, sagte er und nickte beifällig. »Ich freue mich, dass Sie so philanthropische Motive haben, ich würde Sie nämlich gern um Unterstützung bei einem Projekt bitten.«
    »Es wäre mir eine Ehre, in jeder erdenklichen Weise behilflich zu sein.«
    »Danke.« Fieldhursts Miene wurde ernst. »Die Angelegenheit ist von höchster Bedeutung. Ehe ich weiterspreche, benötige ich zuerst Ihre Zusicherung, dass Sie alles, was ich Ihnen offenbare, mit äußerster Vertraulichkeit behandeln.«
    Stratton begegnete dem Blick des Earls offen und direkt. »Bei meiner Ehre als Gentleman, Sir, ich werde nichts von dem weitergeben, was Sie mir anvertrauen.«
    »Danke, Mr Stratton. Bitte hier entlang.« Fieldhurst öffnete eine Tür an der rückwärtigen Wand des Studierzimmers, und sie gingen einen kurzen Gang

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