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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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uns bestimmt …
    »Wo ist Loren?« fragte er unvermittelt.
    »In der Stadt«, gab ihm Dave Bescheid. »Teyrnon auch. Morgen findet im Palast eine Zusammenkunft statt. Es scheint … . es scheint, als hätten Kim und die anderen nun doch herausgefunden, was den Winter verursacht.«
    »Was ist es denn?« fragte Paul erschöpft.
    »Metran«, erwiderte Jaelle. »Von Cader Sedat aus. Loren will ihn aufsuchen an dem Ort, wo Amairgen gestorben ist.«
    Er seufzte. So vieles passierte. Sein Herz würde das Tempo nicht mithalten können. Wenn die Sonne versinkt und am Morgen … .
    »Ist Kim im Palast? Geht es ihr gut?« Es kam ihm plötzlich merkwürdig vor, dass sie nicht hierhergekommen war, zu Jennifer.
    Er las es an ihren Gesichtern ab, ehe einer von beiden das Wort ergriff.
    »Nein!« schrie er. »Nicht auch noch sie!«
    »Nein, nein, nein«, beeilte Dave sich, ihn zu beruhigen. »Nein, es geht ihr gut. Sie ist bloß … . nicht hier.« Er wandte sich hilflos an Jaelle.
    Ruhig erläuterte die Hohepriesterin, was Kimberly getan, und die Gründe, die sie für ihr Tun angegeben hatte. Er konnte nicht anders, er musste die Beherrschung in Jaelles Stimme bewundern, ihre kühle Klarheit. Als sie geendet hatte, sagte er nichts. Es fiel ihm nichts zu sagen ein. Sein Verstand schien nicht richtig zu funktionieren. Dave räusperte sich.
    »Wir sollten jetzt gehen«, schlug der hünenhafte Mann vor. Paul bemerkte nun zum ersten Mal den Verband an seinem Handgelenk. Dave war noch nie zuvor im Tempel gewesen. Dies war kein Ort, an dem zu verweilen er geneigt sein würde.
    »Geht schon voraus, ihr zwei«, murmelte Paul. Er war sich nicht sicher, ob er hätte aufstehen können, wenn er es gewollt hätte. »Ich komme gleich nach.«
    Dave wandte sich zum Gehen. Doch er verharrte an der Tür. »Ich wünschte … .«, begann er. Er schluckte. »Ich wünschte eine Menge.« Er ging hinaus. Jaelle blieb.
    Er wollte nicht mit ihr allein sein. Die Zeiten waren zu schlimm, um auch noch damit fertig zu werden. Nun würde er doch gehen müssen.
    Sie wandte sich ihm zu: »Einmal hast du mich gefragt, ob ich es für möglich halte, dass wir eine Last gemeinsam tragen, und ich antwortete nein.« Er blickte auf. »Inzwischen bin ich klüger«, fuhr sie fort, ohne zu lächeln, »und die Last ist schwerer geworden. Vor einem Jahr habe ich etwas von dir gelernt, und noch etwas gestern Nacht von Kevin. Ist es zu spät, zuzugeben, dass ich unrecht hatte?«
    Darauf war er nicht vorbereitet, auf alles, was sich hier abspielte, war er offenbar nicht vorbereitet gewesen. Er bestand zu gleichen Teilen aus Trauer und Erbitterung. Wie es uns bestimmt ist …
    »Ich freue mich, dass wir dir nützlich sein konnten«, sagte er. »Wie wäre es, wenn du es an einem besseren Tag noch einmal mit mir versuchst?« Er sah, wie sie den Kopf zurückwarf. Er stemmte sich hoch und verließ den Raum, damit sie ihn nicht weinen sah.
    Im Innern der Kuppel stimmten die Priesterinnen, als er dort vorbeikam, heulend einen Klagegesang an. Er hörte es kaum. Die Stimme in seinem Kopf gehörte Kevin Laine, der vor einem Jahr ein ganz eigenes Klagelied gesungen hatte:
     
    Die Wellen schlagen ans weite Ufer,
    Am grauen Morgen der Regen fällt,
    Dies ist das Land des Jammers.
     
    Er trat hinaus ins schwächer werdende Licht. Seine Augen waren getrübt, daher konnte er nicht sehen, dass überall am Tempelberg das grüne Gras zurückgekehrt war und dass Blumen wuchsen.
     
    Sie durchlebte unzählige Träume, und Kevin war in ihnen allen gegenwärtig. Gutaussehend und geistreich, mühelos klug, aber nicht fröhlich. Kim sah sein Gesicht, wie es gewesen sein musste, als er dem Hund nach Dun Maura gefolgt war.
    Es wollte ihr das Herz brechen, dass sie sich nicht der letzten Worte entsinnen konnte, die er an sie gerichtet hatte. Während des eiligen Ritts nach Gwen Ystrat war er zu ihr gekommen, um ihr zu erzählen, was Paul getan hatte, und ihr seinen eigenen Entschluss mitzuteilen, Brendel über Darien zu unterrichten. Sie hatte zugehört und ihn in seiner Absicht bestätigt, hatte kurz gelächelt über die trockene Beschreibung von Pauls vermutlicher Reaktion darauf.
    Doch sie war abgelenkt gewesen, hatte sich bereits in Gedanken eingestellt auf die finstere Reise, die ihr in Morvran bevorstand. Er musste das gespürt haben, wurde ihr später klar, denn einen Augenblick später hatte er die Hand leicht auf ihren Arm gelegt, in nachsichtigem Tonfall etwas zu ihr gesagt, und dann war er

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