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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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mitgeben wollen, aber das hatte wiederum sie abgelehnt. Was sie tun musste, hatte mehr mit dem Begleichen einer Schuld zu tun als mit dem Krieg, und sie erklärte ihnen das auch. Das andere hatte sie ihnen verschwiegen.
    Mit einem einzelnen Begleiter hatte sie sich einverstanden erklärt, zum Teil deswegen, weil sie den Weg nicht genau kannte. Damit mussten sie sich zufrieden geben. »Ich habe es dir von Anfang an gesagt«, hatte sie sich an Aileron gewandt. »Ich befolge nun einmal Befehle nicht sonderlich gut.« Niemand hatte gelacht oder gar gelächelt. Das war keine Überraschung. Sie hatte auch nicht gelächelt. Kevin war tot, und aller Wege trennten sich. Der Weber allein wusste, ob sie je wieder zusammentreffen würden.
    Und jetzt gab es einen weiteren Abschied. Ivors Leibwache geleitete den blinden Schamanen Gereint hinaus, dorthin, wo der Aven mit seiner Frau und seiner Tochter wartete. Liane, sah Kim, hatte immer noch gerötete Augen. Kim winkte dem Mädchen und brachte ein Lächeln zustande. So viele kleine Kümmernisse gab es in dem einen großen Leid.
    Gereint in seiner unberechenbaren Art blieb direkt vor ihr bestehen. Sie ließ die gesichtslose Berührung seines Bewusstseins zu. Er war schwach, sah sie, aber noch nicht am Ende seiner Kräfte.
    »Noch nicht«, versprach er laut. »Es wird mir wieder prächtig gehen, sobald ich auf dem Gras unter den Sternen ein gehöriges Stück Eltorlende verspeist habe.«
    Impulsiv trat Kim vor und küsste ihn auf die Wange. »Ich wünschte, ich könnte mich dir anschließen«, sagte sie.
    Seine knochige Hand ergriff ihre Schulter. »Das wünschte ich auch, Träumerin. Ich bin froh, an deiner Seite gestanden zu haben, vor meinem Tod.«
    »Vielleicht können wir das noch einmal tun«, gab sie ihrer Hoffnung Ausdruck.
    Darauf erhielt sie keine Antwort. Er umfasste bloß noch fester ihre Schulter, trat dichter an sie heran und flüsterte, so dass nur sie es hören konnte. »Ich habe vergangene Nacht Lisens Reif gesehen, aber nicht, wer ihn getragen hat.« Der letzte Halbsatz klang schon beinahe nach einer Entschuldigung.
    Sie atmete hörbar ein und erwiderte: »Das zu sehen war Ysannes Aufgabe, und ist damit jetzt die meine. Geh unbeschwert, Gereint, zurück auf deine Ebene. Du wirst dort genügend Aufgaben vorfinden, die deiner harren. Du kannst nicht uns allen alles sein.«
    »Du aber auch nicht«, sagte er. »Meine Gedanken werden bei dir weilen.«
    Und um dessentwillen, was er war, erklärte sie: »Nein. Du wirst nicht teilhaben wollen an dem, was ich tun zu müssen glaube. Schicke deine Gedanken nach Westen. Der Krieg ist jetzt Lorens Sache und die von Matt, denke ich. An jenem Ort, wo Amairgen gestorben ist.«
    Sie gestattete, dass er in ihre Gedanken eindrang, dass er die Schatten des Traums sah und noch etwas. »O Kind«, murmelte er, nahm ihre beiden Hände zwischen die seinen, hob sie an seine Lippen und küsste sie eine nach der anderen. Dann ging er davon und wirkte dabei, als belastete ihn mehr als nur seine Jahre.
    Kim drehte sich um, dorthin, wo ihr Begleiter geduldig auf sie wartete. Das Gras war grün, die Vögel sangen überall. Die Sonne stand inzwischen hoch über dem Carnevongebirge. Sie blickte hinauf, schirmte die Augen gegen das Licht ab.
    »Sind wir soweit?« fragte sie.
    »Wir sind soweit«, meldete Brock aus Banir Tal.
    Sie bestieg ihr Pferd und setzte sich neben ihn, um an seiner Seite den langen Ritt nach Khath Meigol anzutreten.
     
    »Sein ganzes Leben lang ist er der Göttin immer näher gekommen«, hatte Jaelle gesagt, und von allen Anwesenden hatte allein Jennifer ihre Worte richtig verstanden. Nicht einmal die Hohepriesterin konnte genauer als sie wissen, welch tiefe Wahrheit darin lag, und als sie die Worte hörte, kam sich Jennifer plötzlich vor, als sei in ihrem Innern jeder Nerv bloßgelegt worden.
    All die Nächte sah sie nun mit schonungsloser Klarheit. All die Nächte, in denen sie neben ihm gelegen hatte, nachdem sie den Bogen des Liebesaktes geschlagen hatten, in denen sie Kevin beobachtet hatte, wie er sich mühte, aus weiter Ferne zu ihr zurückzukehren. Dieses eine Unbeherrschte an ihm hatte sie nie verstanden, hatte sie immer gefürchtet. Er pflegte zu versinken, in eine Leidenschaft hinabzutrudeln, die ihre Seele nicht nachvollziehen konnte. So viele Nächte hatte sie wachgelegen und die schlichte Schönheit seines Gesichts betrachtet, während er schlief.
    Nun endlich verstand sie ihn.
    Und so kam es, dass ihr eine

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