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Das war eine schöne Reise

Das war eine schöne Reise

Titel: Das war eine schöne Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Ihr Geld an, aber nur unter der Voraussetzung, daß ich es als ein Darlehen betrachten darf...«
    »Schon gut, schon gut«, winkte Frau Pütterich ab, »auch darüber reden wir später. Und wenn Sie nichts dagegen haben, dann möchte ich mich jetzt ein wenig langlegen. Ich bin seit sechs Uhr früh auf den Beinen, und die Füße waren schon zu Pütterichs Lebzeiten meine schwächste Stelle. Der Mann lief wie ein Wiesel. Kunststück, bei seinem Mückengewicht...«
    Während Otto Lobedanz die mittleren Liegen wieder herunterklappte und verklammerte, trat Herr von Berg auf den Gang hinaus, um noch eine Zigarette zu rauchen. Die Uhr ging auf Mitternacht. In den meisten Abteilen hatten sich die Reisenden zur Ruhe begeben, die Vorhänge zugezogen und die Lichter gelöscht. Nur in einem weiter vorn gelegenen Abteil saßen sechs Unentwegte hemdsärmelig in zwei Dreierrunden beim Dauerskat. Sie hatten ihn nicht einmal während des Aufenthaltes in Innsbruck unterbrochen. Die sechs Herren gehörten einem Skatklub an und verjuxten auf dieser Reise die Vereinskasse. Sie hatten den ersten Kasten Bier bereits vor Augsburg geleert und sich in München mit neuem Stoff versorgt, der nun auch bald zur Neige ging, ohne daß diese eisernen Männer auch nur die geringste Wirkung zeigten. Der Rauch ihrer Zigarren quoll in grauen Schwaden auf den Gang hinaus.
    Herr Schnürchen, der sich mit Otto Lobedanz zu Herrn von Berg gesellte, um die drei Damen nicht in ihren Vorbereitungen für die Nacht zu genieren, war nachdenklich und schweigsam. Kein Wunder, daß der Verlust seines sauer ersparten Geldes ihn bedrückte. Als das Licht im Abteil erlosch, wünschte er den beiden jungen Männern eine gute Nacht und zog sich in seine Koje zurück. Herr von Berg ließ den Rest seiner Zigarette auf den Boden fallen und zertrat ihn. Er warf dabei einen Blick auf seine Uhr: »Wann soll der Zug in Rimini eintreffen?«
    »Kurz vor acht, falls es keine Verspätung gibt.«
    »Legen Sie sich schon hin, Herr Lobedanz, ich gehe noch mal ins Pagenabteil. Vielleicht bekomme ich dort eine Flasche Selters, ich habe einen mörderischen Durst.«
    Er nickte Otto Lobedanz zu und ging davon.
    Um diese Zeit beendeten die Skatspieler im übernächsten Abteil die letzte Runde.
    »Und jetzt ‘raus mit dem Hecht!« sagte einer der Herren und drückte das Fenster herunter, aber es nützte nicht viel, die Schwaden wirbelten nur durcheinander.
    »Los, Willi, mach mal die Tür auf und laß eins von den Gangfenstern ‘runter, das fegt den Mief unter Garantie im Handumdrehen hinaus.«
    Der Herr, der Willi hieß, schob die Abteiltür zur Seite und öffnete das Fenster, das dem nächsten Abteil gegenüber lag. Der Fahrtwind fuhr mit einem gewaltigen Stoß in das Abteil hinein, wirbelte die lose auf den Fenstertischen liegenden Skatabrechnungen empor, riß sie in den Gang hinein und entführte sie durchs Gangfenster in das Land Tirol hinaus.
    »Jetzt haben wir uns zwölf Stunden lang umsonst gequält!« stöhnte ein kleiner Dicker und wollte das Abteilfenster hochzie-hen, aber im gleichen Augenblick, in dëm er die Hände nach den Fenstergriffen streckte, klatschte ihm etwas schmerzhaft wie eine Ohrfeige ins Gesicht und er taumelte mit einem Schmerzensruf ins Abteil zurück.
    »Was hast du, Karl, was ist los?«
    »Kinder, ich glaube, mir ist ein Vogel in die Schnauze geflogen«, stöhnte der Dicke halbblind.
    Jemand warf die Abteiltür zu, und im gleichen Moment fiel der vermeintliche Vogel, den der Luftzug dem Dicken sekundenlang an das Gesicht gepreßt hatte, zu Boden. Einer der Herren bückte sich nieder und griff nach dem schwärzlichen Ding.
    »Von wegen Vogel!« sagte er verblüfft, »Menschenskind, Karl, da hat dir wahrhaftig jemand von außen eine Geldtasche an die Birne gefeuert!«
    »Mach doch keine blöden Witze!«
    »Sieh dir das Ding selber an, ob das vielleicht ein Uhu ist.«
    Alle starrten auf die kleine Tasche aus dunkelbraunem Saffianleder.
    »Gib das Ding mal her«, sagte der Dicke, der sich von seinem Schrecken erholt hatte, »vielleicht sind da ein paar hübsche Lappen drin...« Er klappte die Tasche auf und untersuchte die Fächer. »Ratzeputz leer...«
    »Wer schmeißt auch schon mit vollen Portemonnaies?«
    »Zwei verblaßte Goldbuchstaben sind gerade noch zu erkennen... «
    »Was für Buchstaben?«
    »Ein H und ein S...«
    »Komische Geschichte...«
    »Wir hatten als Schuljungen einen tollen Trick. Ich war nämlich Fahrschüler...«
    »Das merkt man heute

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