Das war eine schöne Reise
Damen. Er hatte die Absicht, zum Strande zu gehen, um das Badeleben zu genießen, der anderen natürlich, denn leider hatte ihm sein Arzt die Ausübung jeder Art von Wassersport nur noch in der Badewanne erlaubt. Eine kleine Herzattacke — ein Warnschuß, wie der Arzt sich ausdrückte —, die er vor drei Jahren durchgemacht hatte, zwang ihn, leise zu treten und größere Anstrengungen peinlich zu vermeiden. Die Damen blickten ihm nach, wie er klein und schmal, aber bei aller Zartheit doch männlich und überlegen wirkend, ohne Eile davonschlenderte.
Auf dem schmalen Strandstreifen der Villa Annabella konnte Herr Schnürchen unter den grün-weißen Sonnensegeln nur die italienischen Gäste des Hauses, zumeist Frauen mit ihren Bambinis, entdecken. Die Schweiz und Deutschland hatten sich zu einem Wasserballspiel zusammengefunden, bei dem Herr Blumm als Torwart einen rabenschwarzen Tag hatte, so daß sich die Schweizer für die 5: 0-Niederlage in England am Strande von Rimini triumphal revanchieren konnten.
Herr Schnürchen ließ sich von der Bagnina, der er eine großzügig bemessene Mancia in die Hand drückte, einen Liegestuhl in den Schatten stellen und vertiefte sich in einen Band mit Satiren und Humoresken von Pirandello, den er sich auf dem Wege zur Spiaggia an einem Bücherstand mitgenommen hatte. Er ließ sich Zeit, denn mit der Antwort auf seinen Brief an Herrn Alvensleben konnte er im besten Falle erst morgen rechnen, und mit dem Gang aufs Polizei-Kommissariat eilte es ihm gar nicht mehr, denn ihm war etwas Besseres eingefallen. Als die Wasserballspieler zwar schmählich geschlagen, aber unentwegt gutgelaunt von den Süßwasserduschen in den Schatten der Segel zurückkehrten, war die Broschüre seiner Hand entglitten und er selber trotz Kindergeschrei und Radiogedudel fest eingeschlafen. Oder tat er nur so? Blinzelte sein linkes Auge nicht ein wenig, als zuerst Otto
Lobedanz und Herr Blumm ihren Damen Rücken und Schultern mit öl salbten und, nachdem das geschehen war, Fräulein Sonntag und Fräulein Lenz den Männern den gleichen Dienst erwiesen? Er schlug die Augen auf, als ihm die Worte »Frutti e gelati« achtstimmig in die Ohren dröhnten. Mit riesigen roten Sombreros auf den Köpfen stapften sie bloßfüßig durch den Sand, vorneweg der Vater mit der römischen Schnellwaage über der Schulter und der schweren Eiskiste auf dem Bauch, dahinter die Mutter mit einem großen Korb voller Früchte, und hinter ihr der Größe nach sechs Kinder zwischen zehn und drei Jahren, jedes mit einem seiner Statur entsprechenden Henkelkorb am Arm, in dem sich Bananen, Feigen, Orangen, Äpfel und Birnen türmten. Nur der Kleinste, der eifrig hinterdreinwatschelte, trug noch keinen Korb, sondern schwang eine hölzerne Ratsche, mit der er den Schlachtruf der geschäftstüchtigen Familie »Frutti e gelati« lautstark unterstützte. Otto Lobedanz winkte den Mann herbei und ließ sich eine rotfleischige Melone in fünf Teile zerschneiden, die durstig verzehrt wurden. Auch Herr Schnürchen ließ sich das saftige, schwach nach Ananas duftende Fruchtfleisch schmecken.
»Läßt meine Mutter sich heute nicht am Strand sehen?«
»Sie werden es nicht für möglich halten«, antwortete Herr Schnürchen zwinkernd, »Ihre Mutter scheint mit Frau Pütterich Freundschaft geschlossen zu haben. Die beiden Damen haben sich zu einem Schaufensterbummel aufgemacht, bei dem sie mich nicht brauchen konnten.«
Otto Lobedanz grinste breit: »Es ist noch keine drei Tage her, daß sie aus dem Zug springen wollte und sich erst beruhigte, als ich ihr schwor, Frau Pütterich in der Adria zu ersäufen.«
Herr Schnürchen bohrte die harte Melonenschale in den Sand: »Der Mensch findet sich in alles hinein«, sagte er leichthin, »man muß ihm nur ein wenig Zeit lassen, sich an die Verhältnisse zu gewöhnen...« Er erhob sich aus seinem Liegestuhl, hob die Hand zum Gruß und verabschiedete sich mit der Bemerkung, daß er noch einige Besorgungen erledigen müsse. Er schlenderte über die Via Vespucci und betrat schließlich das Embassy, dessen eigentlicher Betrieb erst am Abend begann. Ein Tageskellner genügte, um die wenigen Gäste zu bedienen. Herr Schnürchen ließ sich einen Espresso kommen und fragte den Cameriere nach Namen und Adresse des Barmixers.
»Ich bin hier nur aushilfsweise beschäftigt, Signore, aber ich kann Ihnen den Gerente schicken.«
»Ja, sagen Sie bitte dem Geschäftsführer, daß ich ihn für einen Augenblick sprechen
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