Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das war eine schöne Reise

Das war eine schöne Reise

Titel: Das war eine schöne Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
möchte.«
    Herr Schnürchen ließ den Inhalt einer der beiden winzigen Zuckertüten in den schwarzen, gallebitteren Kaffee rinnen und hatte den Espresso noch nicht zu sich genommen, als der Kellner einen jungen Mann von auf fallender Eleganz zu ihm führte. Apoll in einem fabelhaft geschnittenen, nachtblauen Seidenanzug...
    »Bitte, nehmen Sie für einen Moment Platz und verraten Sie mir die Adresse Ihres Schneiders...«
    »Milano, Corso Garibaldi«, antwortete der junge Mann und zeigte vierundsechzig — oder waren es noch mehr? — blitzende Zähne, »aber das war wohl nicht die Adresse, die Sie zu hören wünschten...«
    »Ganz recht, und wenn Sie mehrere Leute an der Bar beschäftigen, so wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir Namen und Anschrift des Mixers geben könnten, der gestern abend oder vielmehr heute nacht Dienst machte.«
    »Haben Sie Reklamationen, Signore? Hat Giancarlo Ihnen zu viel abgenommen?«
    »Sehe ich so aus, als ob ich mir von Giancarlo zu viel abnehmen ließe?«
    »Sie sprechen Italienisch wie ein Genuese...«
    »Respekt vor Ihrem Ohr, ich habe tatsächlich lange in Genua gelebt. Es ist allerdings lange her...«
    »Ich bin beruhigt, daß Giancarlo Sie nicht gerupft hat. Die Versuchung ist groß, und außerdem melden sich nicht gerade die besten Leute zu solchen Saisonstellungen. Man muß nehmen, was man bekommt.« Er warf einen flüchtigen Blick auf seine flache Armbanduhr: »Er wohnt übrigens im Hause, und da er bis vier Uhr früh gearbeitet hat, nehme ich an, daß ich ihn noch in seinem Zimmer finde. Ich schicke ihn zu Ihnen, aber es ist natürlich möglich, daß Sie sich ein wenig gedulden müssen.«
    »Schönen Dank, ich warte gem.«
    Der nachtblaue Apoll verschwand, und Giancarlo ließ Herrn Schnürchen eine Viertelstunde auf sein Erscheinen warten. Er hatte tatsächlich noch geschlafen, aber er zeigte sich nicht übellaunig, daß man ihn geweckt hatte.
    Die Fünfhundert-Lire-Note, die Herr Schnürchen ihm zusteckte, ermunterte ihn vollends.
    »Womit kann ich Ihnen dienen, Signore?«
    »Hören Sie, Giancarlo, in den Morgenstunden des heutigen
    Tages ist einem jungen Mann, der in derselben Pension wohnt wie ich selber, übel mitgespielt worden. Man hat ihn betäubt, beraubt und in der Nähe von Bellaria aus dem Wagen geworfen...«
    »Madonna mia!«
    »Nun, ich habe erfahren, daß er um die Mitternacht herum mit zwei Putten in Ihrer Bar war...«
    »Natürlich, ich weiß genau, wen Sie meinen, Signore! Ein junger deutscher Herr, der wie die meisten Deutschen zu viel Geld in der Tasche trug, und es zu offen herzeigte —«
    Herr Schnürchen hüstelte spröd: »Darauf werde ich noch zu sprechen kommen, Giancarlo. Mich interessieren die beiden Frauen. Kennen Sie die beiden zufällig?«
    »Nein, Signore, das waren typische Zugvögel, Harpyien, die in der Saison die fetten Plätze abklappern und mitnehmen, was mitzunehmen ist. Professionelle Bauernfängerinnen...«
    »... die Sie nie zuvor gesehen haben?«
    »Ich sagte das bereits, Signore! Und ich habe den jungen Herrn vergeblich zu warnen versucht, das heißt, wie kann man einen Mann schon warnen, der außer uno-due-tre kein Wort Italienisch versteht. Ich habe mit den Augen geklappert, aber für diese Art von Signalen war er wohl nicht mehr aufnahmefähig — vielleicht auch nicht aufnahmebereit. Er bildete sich wohl ein, eine tolle Eroberung gemacht zu haben. Dem Dialekt nach waren die beiden Profis übrigens Venezianerinnen, und die beiden Kerle, die sich später dazu gesellten und so taten, als träfen sie in den beiden Weibern Bekannte wieder, die man seit Jahren nicht gesehen, waren Gigolotypen von Trastevere. Den Schlag kenne ich, denn in der Gegend bin ich selber aufgewachsen. Ehrlich, Signore, als die beiden die Bar betraten, ahnte ich fast, was gespielt würde, ich wußte es natürlich nicht mit Sicherheit, aber das war alles zu gemacht, und man hat doch ein Ohr für echte und für falsche Töne. Aber wie gesagt, Ihr junger Freund war nicht aufzuhalten...«
    »Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, Giancarlo, der junge Mann ist nicht mein Freund. Ein Zufall hat uns in dasselbe Albergo geführt...«
    »Hat die Polizei etwas damit zu tun, Signore?«
    »Ja, sie hat ihn aufgefunden und ins Hotel zurückgebracht...«
    »Mamma mia, dann werde ich um eine Vernehmung wohl nicht herumkommen, wie?«
    »Das fürchte ich allerdings auch. Aber was beunruhigt das Sie?«
    »Ach, hören Sie, wer hat schon gerne mit der Polizei zu tun?

Weitere Kostenlose Bücher