Das war eine schöne Reise
vom Bau herunter auf zwei Fingern nachpfeift, wo man sich als Dame natürlich nicht umdreht, oder ob Ihr Marschallo es auf seine Art versuchte, Mann ist eben Mann... «
Herr Schnürchen erlitt einen Hustenanfall und vergrub das halbe Gesicht in seinem Taschentuch: »Ich werde dafür sorgen, daß man Ihnen den Tee bringt, Frau Pütterich«, krächzte er schließlich noch halb erstickt und eilte rasch davon, um die Bestellung anzubringen. Frau Lobedanz unterbrach ihre Näharbeit und blickte ihm nach, bis er im Speisesaal verschwunden war.
»Mein Marschallo...! Ich bitte Sie, Frau Lobedanz! Nie im Leben wäre ich darauf gekommen, daß der Mensch solche Gedanken im Kopf hat! Als junge Witwe — na ja...Obwohl ich mich da auch immer sehr zurückgehalten habe. Aber daß mir so was noch in meinem Alter passieren würde!«
»In Ihrem Alter! Nun machen Sie aber mal ‘nen Punkt, Frau Pütterich! Wie groß ist denn der Altersunterschied zwischen uns beiden? Doch höchstens zwei Jährchen, na also!« Sie sah sich nach Herrn Schnürchen um: »Wo wir unter uns Frauen sind, kann man ja darüber sprechen. Also was ich in dieser Beziehung schon erlebt habe und wieder und immer wieder erlebe...einen Roman könnte man darüber schreiben. Meinem Otto wage ich so was ja gar nicht zu erzählen. Stellen Sie sich vor, es ist noch keine acht Tage her, ich bummle durch die Stadt — so eine Reise braucht ja ihre Vorbereitungen, und man sieht sich das und jenes an, was man vielleicht mitnehmen könnte —, da merke ich doch, daß sich jemand immer in meiner Nähe hält. Ich bleibe vor zwei, drei Schaufenstern stehen, er hält sich auf Abstand. Ich weiter, er mir nach. Ein Mann so um die Fünfzig, tipptopp in Schale, ich möchte sagen, mehr schon ein Herr. Was soll ich Ihnen sagen, an der Omnibushaltestelle Alter Markt tritt er plötzlich auf mich zu, lüftet den Hut — na ja, der Tanzboden war ja schon ein bißchen abgetreten, wie man so sagt — und flüstert: Verzeihung, gnädige Frau, darf ich Sie auf etwas aufmerksam machen? Liebe Güte, woran man als Frau bei so was nicht alles denkt! So ‘n Reißverschluß hat ja seine Tücken...Um Himmels willen, worauf denn? frage ich. Und da sagt dieser Mensch doch wahrhaftig: Auf mich! — Na, wissen Sie, ich war so perplex, daß mir einfach die Sprache wegblieb...«
»Na und weiter?« fragte Frau Pütterich und machte große, runde Augen.
»Dann kam mir die Sprache wieder!« sagte Frau Lobedanz und schnaufte tief auf: »Dem habe ich es besorgt, darauf können Sie sich verlassen! Aber ich wollte damit ja auch nur gesagt haben, daß man als Frau eben vor solchen Nachstellungen nie sicher ist!«
»Na ja, Sie, bei Ihrer Figur...«, seufzte Frau Pütterich.
»Ach was, Figur! Figur spielt dabei keine Rolle. Das ist genauso wie beim Essen, der eine mag es mager und dem andern kann es gar nicht fett genug sein... Womit ich aber nichts gesagt haben will, Frau Pütterich! Und überhaupt, jede Schneiderin wird Ihnen versichern, daß es sich für uns Vollschlanke viel besser arbeiten läßt. Da sitzt doch jedes Kleid ganz anders, als wenn es an so einer Bohnenstange herumflattert. Na, ist’s nicht so?«
»Sie mögen recht haben, Frau Lobedanz«, murmelte Frau Pütterich, »und wenn ich Sie so reden höre, dann meine ich, genauso würde auch mein seliger kleiner Pütterich gesprochen haben. Der schwärmte ja nur für das Mollige, und da hatte er ja in mir seinen Typ gefunden...«
»Na, sehen Sie! Und den gleichen Geschmack wie Ihr Pütterich muß ja wohl auch der Marschallo haben. Na, und gegen die reifere Jugend hier unten sind wir mit unseren Figuren ja die reinen Mannekengs. Diese ewigen Spaghetti! Das ist ja wie eine Mastkur, und wer da noch ein bißchen Veranlagung zur Fülle hat... Für mich steht es jedenfalls fest: einmal Italien und nie wieder!«
Die Damen mußten ihre Herzensergüsse unterbrechen, denn Herr Schnürchen erschien wieder, und mit ihm kam das Mädchen mit dem Tee für Frau Pütterich. Er spürte sofort, daß zwischen den Frauen ein inniger Kontakt entstanden war.
»So, Herr Schnürchen«, sagte Frau Lobedanz und reichte ihm seine Jacke, »der Knopf sitzt auch wieder fest, und wenn Sie zur Post müssen, dann lassen Sie sich durch uns nicht aufhalten. Wir beide werden einen kleinen Schaufensterbummel machen — nicht wahr, Frau Pütterich? — und dabei wird ein Mann ja doch nur nervös.«
Herr Schnürchen bedankte sich bei Frau Lobedanz artig und verabschiedete sich von den
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