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Das War Ich Nicht

Das War Ich Nicht

Titel: Das War Ich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristof Magnusson
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gemeldet.
    Fand es ganz okay, am Anfang des Tages allein zu sein. Ohne Kollegen. Da aus den USA niemand anrief, half ich den Londonern, ihre Orders abzuwickeln. Dort hatte der Handel schon begonnen, wenn hier noch alle schiefen Ich war das Bindeglied zwischen den Kontinenten. Oder, bescheidener gesagt, der Nachtwächter von Rutherford & Gold.
    Im Fahrstuhl war ich allein. Wie immer um diese Zeit. Ich betrachtete mich in der verspiegelten Seitenwand der Kabine. Haargel hatte ich immer dabei, da meine Locken erst auf der U-Bahnfahrt hierher richtig trockneten und dabei oft in Unordnung gerieten. Heute war alles okay. Ich öffnete meinen Mantel und überprüfte, ob die beiden obersten Hemdknöpfe offen waren, denn das war mein Look. »Ich will Erfolg«, sagte ich meinem Spiegelbild, ganz automatisch, wie immer.
    Obwohl der Händlersaal um diese Zeit leer war, fühlte ich mich eingeengt. Drucker, Computer, Telefone, Monitore, hauptsächlich Monitore, Kopierer. Es war so eng, dass mir die Idee, jemanden zu degradieren, indem man ihm ein kleineres Büro gab, absurd vorkam. An meinem Platz hätte man nichts wegnehmen können, außer man hätte mein Bloomberg-Keybord von der Cancel- bis zur Steuerungstaste abgesägt und einen Streifen vom Mousepad abgeschnitten. Aber solche Dinge waren ohnehin zu subtil für uns. Umso gespannter war ich, wie sie mich feuern würden.
    Ich fuhr den Computer hoch. Alles machte einen normalen Eindruck. Der Bildschirm unten rechts, auf dem ich die Berichte unserer Analysten, Ad-hoc-Meldungen und unser internes Chat-Protokoll hatte, wurde zwei Sekunden eher hell als die anderen. Wie immer. Unten links erschien unser Order-Management-System Equinox, auf den oberen Monitoren die Informationsdienste Bloomberg und Reuters. Dort konnte ich die Kennzahlen der Unternehmen einsehen, die unsere Kunden derzeit besonders nachfragten. Mitverfolgen, wie die Umsätze waren, welche Preisvorstellungen die anderen Händler hatten, die Verkaufswünsche unter dem Wort ask, daneben unter bid die Kaufgesuche. Steigende Kurse in Grün, fallende Kurse in Rot.
    Ich gab der Maus einen Schubs nach links, nach rechts, nach oben, nach unten, der Pfeil bewegte sich von Monitor eins bis vier. Alles normal. Ich konnte kaum glauben, dass gestern jemand anders hier gesessen hatte.
    Seit ich vor zwei Jahren aus dem Back-Office in den Händlersaal gekommen war, hatte ich Optionen gehandelt. Mit Optionen wetten unsere Kunden darauf, wie sich der Kurs einer Aktie entwickeln wird. Informiertes Glücksspiel, wenn man so will. Da Aktien an sich schon eine Wette auf die Zukunft eines Unternehmens sind, ist das, was ich tue, eigentlich eine Wette auf eine Wette. Ich bin ein Meta-Buchmacher. Das ist natürlich hochkomplex, aber irgendwie auch ganz einfach.
    Angenommen, ein Autofahrer erwartet, dass der Benzinpreis in den nächsten Monaten steigt. Dann könnte er - gegen Gebühr - eine Kaufoption kaufen, die ihn dazu berechtigt, an einem bestimmten Termin in der Zukunft zu einem bereits heute festgelegten Preis zu tanken. Rechnet er hingegen damit, dass der Benzinpreis fällt, kann er eine Verkaufsoption kaufen. Damit verpflichtet sich ein sogenannter Stillhalter, ihm in Zukunft Benzin zu einem heute festgelegten Kurs abzukaufen. Hätte der Autofahrer eine Verkaufsoption mit dem Basiskurs IOO Cent, und der Benzinpreis fällt auf 50, könnte er zur Tanke fahren, für 50 Cent pro Liter tanken und dem Stillhalter das Benzin für 100 Cent weiterverkaufen. So kann man auch in einem negativen Marktumfeld Geld verdienen.
    Solche Optionen gibt es nicht nur auf Aktien, sondern auch auf Indizes, Schweinehälften, Orangensaft, auf fast alles. Mehr muss man eigentlich gar nicht wissen. Zumindest wusste ich nicht mehr, als ich hier anfing.
    Heute überwog die Farbe Grün. Die Märkte wollten nach oben. Das kleine rote Minus aus Asien löste sich auf, ohne dass es positive Nachrichten gab, einfach so.
    Telefon. London. »Hier ist Frank.«
    »Hallo«, ich kannte die Stimme. Frank Foster von Fellowship Fields, einem kleinen Hedgefonds.
    »Ich brauche einen Preis für 15.000 HST, Basiskurs 40, Märzfälligkeit Call.«
    Ich gab es ein: 15.000 HST, Basis 40, 03 für Märzfälligkeit, C für Call, dann »Go«. »Hab ich für 15,80.«
    »Okay«, sagte Frank. »Machen wir.«
    Call stand für Kaufoption, HST stand für HomeStar, eine Hypothekenbank, für die sich gerade viele interessierten. Frank wollte das Recht erwerben, bis zum Fälligkeitstermin am dritten

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