Das War Ich Nicht
Freitag im März 15.000 HomeStar-Aktien zum Kurs von 40 kaufen zu dürfen. Da HomeStar im Moment bei 55,03 notierte, war diese Option 15,03 wert, kostete aber 15,80 wegen des Aufgeldes, aber das war nicht so wichtig.
Angenommen, HomeStar steigt nun auf 70. Dann wäre die Kaufoption 30 wert. Fellowship Fields hätte seinen Einsatz verdoppelt, obwohl die Aktie nicht mal um ein Drittel gestiegen ist. Optionen vergrößern die Kraft des Geldes wie ein Hebel. Das macht Optionen so attraktiv. Und gefährlich. Denn wo größere Gewinne winken, drohen größere Verluste. Mich betraf das nicht, da ich nur die Aufträge von Kunden ausführte. Nur wenige Trader waren autorisiert, mit dem Kapital der Bank zu spekulieren. Ich hingegen wickelte nur die Kaufs- und Verkaufswünsche von unseren kleinsten institutionellen Anlegern ab. War ein kleiner Fisch. Einfacher Indianer, nur eine Feder am Kopfschmuck.
»Tschüss«, sagte Frank.
»Ja«, sagte ich. Er wollte auflegen, da fügte ich hinzu: »Bis zum nächsten Mal.«
»Äh, okay.«
»Schönen Tag noch«, sagte ich, doch er war weg. Zum Glück. Eine peinlich lange Verabschiedung dafür, dass wir täglich mehrfach telefonierten. Er konnte nicht wissen, dass ich in ein paar Stunden nicht mehr hier sitzen würde. Und wenn er es wüsste, wäre es ihm egal gewesen.
Meine Aufgabe war es nun, Franks Auftrag möglichst schnell abzuwickeln, damit ich alles zu dem Preis bekam, den ich ihm versprochen hatte. Kann man sich vielleicht so vorstellen wie in der Gastronomie: Frank hat ein Restaurant, ich bin sein Lieferant. Frank bestellt dreihundert Austern, ich garantiere ihm einen Preis, fahre zum Großmarkt und muss dann zusehen, dass ich sie auch bekomme. Das tat ich nun, fand 10.000 Kontrakte hier, 5.000 da und hatte die ganze Order schließlich zu einem durchschnittlichen Preis von 15,78 abgewickelt, für zwei Cent weniger als der Kunde bereit war zu zahlen, also mit einem kleinen Gewinn für Rutherford & Gold. Von dem ich einen noch sehr viel kleineren Anteil ein Mal jährlich als Bonus ausgeschüttet bekam.
Ein guter Trader brachte seiner Bank Millionengewinne und bekam einen hohen Bonus. Das war bei den geringen Volumina, die ich abwickeln durfte, nicht drin. Umso wichtiger war es, viele Geschäfte zu machen, eins nach dem anderen. So schnell wie möglich.
Ich beeilte mich, das Geschäft in Equinox einzubuchen und mit ein paar Klicks auf das Konto des Kunden zu routen. Telefon. Ich nahm ab, sprach, kaufte, legte auf und buchte die nächste Transaktion in Equinox ein. Nahm ab, sprach, verkaufte, legte auf, buchte ein.
Ein Kunde kaufte gleichzeitig Kauf- und Verkaufsoptionen auf dieselbe Aktie. Das mag absurd klingen, kommt aber oft vor. Viele verfolgen eine solche Strategie. Long Straddle heißt das und bedeutet wörtlich übersetzt Grätsche. Spagat wäre eigentlich richtiger. Schließlich spekuliert man mit einem Long Straddle gleichzeitig darauf, dass eine bestimmte Aktie steigt und fällt.
Es gibt Finanzmathematiker, die nichts anderes tun, als auszurechnen, wie man mit einer solchen Strategie Gewinne macht. Viel Geld verdient man zwar nicht, aber dafür gibt es bei dieser Strategie auch fast kein Risiko. Wenn eine Aktie einbricht oder total steigt, hat man ja entweder mit der Verkaufs- oder der Kaufoption einen Gewinn.
Als ich aufgelegt hatte, klingelte das Telefon sofort wieder.
Finanzwerte waren angesagt. Besonders Hypothekenbanken wie HomeStar, die es geschafft hatten, Leuten einen Immobilienkredit zu vermitteln, die sich, genau genommen, nicht mal eine Waschmaschine leisten konnten. Das schien riskant, war es aber nicht, da HomeStar diese Kredite nicht lange behielt. Sie machten Wertpapiere mit Namen wie High Grade Structured Enhanced Leverage Fund daraus und verkauften sie an andere Banken, Hedgefonds oder Investoren weiter.
Eine geniale Idee: Auch Schulden von Leuten, die sie vielleicht gar nicht zurückzahlen konnten, waren auf einmal etwas wert. Im Internet kursierten Geschichten von einem einarmigen mexikanischen Erdbeerpflücker, der 300.000 Dollar zum Kauf einer 250-Quadratmeter-Vorstadtvilla bekommen hatte. So war das in Amerika - jeder bekam seine Chance.
Solange die Hauspreise stiegen, ging das gut. Und das werden sie auch in Zukunft tun. Ein Grund dafür waren Leute wie ich: Singles. Je mehr Leute alleine wohnten, desto mehr Wohnungen brauchte man. Im Studium hatte ich eigentlich immer Freundinnen gehabt. Im Moment fehlte mir die Zeit dazu, trotzdem war
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