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Das War Ich Nicht

Das War Ich Nicht

Titel: Das War Ich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristof Magnusson
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HomeStar noch um 2 % weiter stieg, hätte ich Jeffs Verlust mehr als ausgeglichen. Für den Fall, dass HomeStar fallen sollte, gab ich eine automatische Verkaufsorder ein, die alles sofort glattstellte. Vom Risikoprofil her erschien mir das in Ordnung. Konnte gar nichts passieren. Abgesehen davon, dass ich so was ohne den Auftrag eines Kunden nicht machen durfte. Doch ich wusste, dass manche Kollegen das ab und zu taten.
    Natürlich würde es auffallen, dass kein Kunde uns das Geld überwies, das ich für die Kaufoptionen ausgegeben hatte. Aber erst morgen. Und wie unwahrscheinlich es war, dass sich im Back-Office jemand sofort darum kümmerte, wusste niemand besser als ich. Zu gut erinnerte ich mich noch daran, wie viele automatische Warnungen dort jeden Tag auf unseren Monitoren geblinkt hatten - es blieb uns gar nichts anderes übrig, als erst mal alle zu ignorieren und uns nur mit den Fehlern zu beschäftigen, die nach einem Tag nicht korrigiert waren. Gerade bei so einem kleinen Fehlbetrag. Hier im Händlersaal wurde das Geld verdient, hier flossen die Energien hin. Das Back-Office hinkte immer hinterher.
    Telefon. Ich handelte. Telefon. Am anderen Ende richtige Kunden. Ich hatte mir den Kurs von HomeStar als permanentes Fenster auf dem Bloomberg-Monitor anzeigen lassen. Es tat sich zwar nicht viel, aber ein kleines Plus von 0,2 % war immerhin da und hielt sich. Das war die richtige Richtung.
    Eigentlich wollte ich heute kein Mittag machen, aber als ich ein weiteres Snickers aufriss, krampfte sich mein Magen schon bei dem Geruch zusammen. Also ging ich doch ins Caribou.
    Auf dem Weg zur Drehtür fiel mein Blick wieder auf das Foto oberhalb des Wasserspenders. Ich riss es runter, zerknüllte es und warf es auf den Boden. Ob mich jemand dabei gesehen hatte, war mir egal.
    MElKE
    Die nächste Nacht verbrachte ich im Flugzeug zwischen einer Frau, die sich erst anschnallen konnte, nachdem die Stewardess eine Gurtverlängerung gebracht hatte, und einem Mann, der immer wieder von seinem eigenen Schnarchen aufwachte.
    Über zweitausend Euro hatte ich für panorama/vexir blau.o bekommen. Eigentlich gönnte ich Arthur nicht, dass Leute bereit waren, so viel Geld zu zahlen für dieses Gepinsel, das sich kaum von einer meiner mit Schwammwischtechnik bemalten Wohnzimmerwände unterschied. Auf der anderen Seite hätte ich ohne Arthurs Bild nie diese letzte Chance erhalten, mein neues Leben in den Griff zu bekommen, denn der kurzfristig gebuchte Flug kostete über tausend Euro.
    Am Flughafen Chicago O'Hare stieg ich in die blaue Linie der Hochbahn und fuhr Richtung Stadt. Eine endlos scheinende Zeit ratterte der Zug auf dem Mittelstreifen einer Autobahn entlang, die auf beiden Seiten von Häusern gesäumt war, die so niedrig waren, dass ich auf ihren Dächern den Schnee sehen konnte, was nicht gerade einen sehr weltstädtischen Eindruck machte. Dann jedoch, an einer Station namens Montrose Avenue, ging es los. Plötzlich hatte die Autobahn fünf Spuren links, fünf Spuren rechts, Auto an Auto, eingefasst von Betonwänden, so hoch, dass ich aus dem Zug nicht sah, wo sie endeten. Ein Tunnel konnte es nicht sein, denn durch die Lichtkegel der Autoscheinwerfer fiel Schnee. Als die Bahn kurz darauf um eine Kurve bog und ich aus dem Fenster zum ersten Mal die erleuchteten Hochhäuser sah, fragte ich mich, wie um alles in der Welt ich Henry LaMarck hier finden sollte. Dann dachte ich an etwas anderes.
    Ich hatte mich im Kloster Zur siegreichen Jungfrau Maria eingemietet, in dem Ursuliner-Nonnen eine Pension betrieben, die nicht so billig war, wie man meinen mochte, stellte meine Sachen ab und machte mich auf die Suche.
    Wo ich hin musste, wusste ich genau. Chicago war mir so vertraut, als wäre ich schon oft hier gewesen. Eigentlich war ich das ja auch. Henry LaMarcks Romane spielten allesamt in dieser Stadt; die Avenuen und Straßen, Wabash, Halsted, Dearborn, Michigan, die die Stadt von Nord nach Süd durchzogen, war ich oft im Geiste entlanggegangen, Henrys Helden auf dem Stadtplan mit dem Finger folgend, wobei ich manchmal sogar kleine Fehler fand: Menschen trafen sich an Straßenecken oder überquerten Brücken, die es nicht gab. Das konnte ich dann korrigieren
    Dermaßen kalt hatte ich mir die Stadt allerdings nicht vorgestellt. In den Romanen wirkte Chicago zwar groß, aber doch warm und gemütlich, der Lake Michigan war immer blau, genau wie der Himmel, als stünde Chicago dem Schicksal der Romanfiguren prinzipiell freundlich

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