Das War Ich Nicht
nicht so zufrieden ist. Und Neely hat zurückgerufen«, sagte Jeff. »Dabei waren es Rutherford & Gold, die den Headhunter angeheuert haben. Um seine Loyalität zu testen.«
Seine Flasche lief über. Er trank einen Schluck, bevor er sie zuschraubte, und sagte dann, nachdem er sich schon auf den Rückweg zu seinem Platz gemacht hatte:
»Lass uns mal ein Bier trinken. Schreib mich einfach an.« Ich folgte ihm. Ging so nah wie möglich hinter ihm, in der Hoffnung, dass mich niemand bemerkte. Jeff redete den ganzen Weg über nicht mit mir.
Die Freude darüber, dass ich meinen Job noch hatte, war verschwunden. Reiner Zufall war das gewesen. Hätte der Headhunter mich angerufen, hätte ich mich natürlich mit ihm getroffen. Viel zu verlockend war die Chance auf einen Neubeginn in einer anderen Bank. Wo keiner wusste, dass hier niemand mit mir sprach. Wo ich vielleicht Freunde finden konnte. Denn eigentlich konnte ich das ja, früher hatte ich auch welche gehabt.
Endlich hatte ich meinen Platz erreicht. Telefon. »Chris?«, sagte jemand.
»Chris Neely ist in einer Besprechung. Kann ich Ihnen helfen?«
»Ich brauche einen Kurs für 80.000 UBS Basis 40, Junifälligkeit. Call.«
Schon bevor ich UBS bei Bloomberg eingegeben hatte und der Kurs auf dem Bildschirm erschien, war mir klar, dass diese Order zu groß für mich war.
»Hab ich für 17,63«, sagte ich. »Machen wir.«
»Okay«, sagte ich und suchte mir die 80.000 Kontrakte zusammen. Klickte auf Speichern. Das System durfte von mir eine Transaktion dieser Größe eigentlich gar nicht annehmen. Ich war angewiesen, Transaktionen im Volumen von mehr als einer Million an erfahrene Kollegen weiterzuleiten. Was passierte, wenn ich versuchte, ein solches Geschäft selbst auszuführen, hatte ich nie ausprobiert. Nun wusste ich es: nichts.
Das System führte es einfach aus. Während ich die Order zu dem Kunden routete, nahm ich mir ein Snickers, hatte gerade abgebissen, da klingelte das Telefon wieder. Schneller kauend ließ ich es einmal klingeln, zweimal, schluckte und nahm ab. Führte eine weitere Kundenorder aus. Auch sie war eigentlich zu groß für mich. Dann noch eine. Als das Telefon für kurze Zeit nicht klingelte, aß ich ein zweites Snickers. Mein Magen hatte Ruhe gegeben. Telefon.
»Jasper, hast du eine Minute?«
Es war Jeff. Seine Stimme klang anders als vorhin am Wasserspender. Viel leiser. Ich ahnte sofort, dass er einen Fehler gemacht hatte.
»Eine halbe«, sagte ich.
»Ich sollte 3.000 HST, Basis 55, Märzfälligkeit, Calls kaufen. Und habe sie stattdessen verkauft.«
Am liebsten hätte ich so etwas gesagt wie: »Das kriegen wir schon hin«, sagte aber:
»Tja.«
»Der Kunde hat am Anfang kaufen gesagt, aber man muss ja zuerst die anderen Daten eingeben und erst am Schluss auf Kaufen oder Verkaufen klicken und gestern war so viel los, da habe ich … «
»… gestern?«
»Ja.«
Er hatte ein Problem. In einer Nacht konnte viel passieren, die Erde konnte beben, ein Flugzeug in ein Hochhaus fliegen, ein Präsident konnte erschossen werden. Die Erlaubnis, Positionen über Nacht zu halten, hatten nur Leute wie Chris.
Ich konnte mir vorstellen, wie sauer der Kunde war. Er hatte auf das Steigen von HomeStar gewettet, sie waren gestiegen, doch er hatte die Kontrakte gar nicht bekommen. Jeff hingegen, hatte Kontrakte verkauft, die er nicht hatte. Leer verkauft.
»Du weißt, dass der Kunde das jetzt auf seiner Abrechnung sieht?«
»Er hat gerade angerufen.« »Dich direkt?«
»Ja.«
»Wenn der Kunde dich angerufen hat und nicht Alex, könnte ich das wieder hinkriegen.«
»Das wär ... «
» ... du stellst die Position glatt, die du gestern leer verkauft hast. Dann kaufst du die Calls, die du dem Kunden schuldest und rechnest sie ihm zu dem Kurs von gestern ab. «
»Aber das sind 12.000 Dollar Verlust.«
»So ungefähr. Deswegen routest du die Transaktionen zu mir.«
Jeff zögerte.
»Mach es. Jetzt«, sagte ich, überrascht davon, wie normal es sich anfühlte, in so einem bestimmenden Ton zu sprechen. Was ich da gesagt hatte, wurde mir erst klar, als ich Jeffs Transaktionen wenig später bei mir auf Equinox sah. Nun hatte ich seinen Verlust in meinen Büchern. Ich sah mir auf Bloomberg die Kennzahlen von HST an. Die relative Stärke, das Put-Call-Verhältnis, die hohen Umsätze, die die Aufwärtsbewegung trugen, die Markttechnik, alles wies darauf hin, dass HomeStar weiter steigen würde. Also kaufte ich 20.000 HST Calls in meinen Account. Wenn
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