Das War Ich Nicht
verspiegelt, um die Sicht auf eine Art Atrium freizugeben, das durch den großzügigeren Umgang mit Raum versuchte, ein wenig sparsame Grandezza zu erzeugen.
Ich trug weder Schal noch Mütze. So einen Schnickschnack besaß ich gar nicht. In Chicago war es nicht kalt und erst recht nicht windig. Es war eine Verschwörung von New Yorker Journalisten, diese Stadt the windy city zu nennen. Es war hier nicht windiger als anderswo, und man nannte diese Erde ja auch nicht den windigen Planeten. Ich genoss das kühle Lüftchen, das hier wehte - es war einer der letzten Reste von Wirklichkeit gewesen, der noch in meine abgeschottete Welt vordrang.
Ab und zu lief ich auf der LaSalle Street auf und ab, ein bisschen Richtung Wacker Drive, dann ein paar Schrittchen zurück Richtung Lake Street, ohne das Bankhochhaus aus den Augen zu lassen. Es war gut, dass es Winter war. Im Sommer hätte ich die andere Straßenseite kaum sehen können, vor lauter Dahlien und Rosen in den Betonblumenkästen, die seit einigen Jahren im Interesse der Stadtverschönerung in der Mitte der Straße standen.
Als die Mittagszeit näher rückte, kehrte sich der Strom um.
Die Drehtür schaufelte Banker auf die Straße, die ihre Mäntel zuknöpften, Aquascutum, Burberry, Boss, genau das, was ich mir gekauft hatte, nur dass es für sie keine Verkleidung war.
Direkt gegenüber blieb ich stehen und lauschte meinem klopfenden Herz. Ich hoffte, dass auch der verzweifelte Business-Boy in der Mittagspause sein Büro verließ und nicht am Schreibtisch ein Sandwich hinunterschlang. Dann schlug ich meinen Mantelkragen hoch und lehnte mich an eine Wand wie ein Privatdetektiv in einem film noir.
JASPER
Am nächsten Morgen passierte ich bereits um 3:43 die SpeedGates. Eine Viertelstunde früher als sonst. Ich war aufgewacht, bevor der Wecker klingelte. In der U-Bahn hatte ich wie immer gestanden, damit Jackett und Hemd keine Falten bekamen, und an die Riesenchance gedacht, die Chris' Entlassung für mich bedeutete. Kein Wunder, dass ich bisher für Rutherford & Gold keine großen Gewinne erzielen konnte. Das Auftragsvolumen meiner Kunden war einfach zu klein. Chris hatte die Orders unserer größten Kunden abgewickelt. Nun musste jemand sie übernehmen.
Während ich durch die Reihen des leeren Händlersaals ging, kam mir eine Idee, wie ich da etwas nachhelfen konnte. Hinten schob eine schwarze Putzfrau im blauen Kittel einen Staubsauger durch die Reihen von v.s. Equity, der einzige Mensch, das einzige Geräusch. In meiner Reihe ging ich an meinem Platz vorbei, an Jeffs Platz vorbei, bis ich vor dem Platz stand, an dem Chris Neely bis gestern gearbeitet hatte. Jemand hatte die Tastatur gerade gerückt, sodass sie mit der Tischkante abschloss, rechts daneben das Mousepad mit dem Logo von Rutherford & Gold, genau in dessen Mitte die Maus. Auf Chris' Telefonanlage wählte ich Menü/ Anruf-Einstellungen/Rufumleitung und gab meine Telefonnummer ein. Die Anrufe für Chris kamen nun zu mir. Ich setzte mich an meinen Platz und aß ein Snickers. Dann begann die Arbeit. Telefon. London.
Langsam kamen die Kollegen. Suzanne, Nate und die anderen. Jeder sah mich an. Lächelte mich an! Ahnten sie, dass ich nun Erfolg haben würde? Ich glaubte es mir ja selbst kaum, aber vielleicht sah ich schon jetzt anders aus, guckte selbstbewusster auf den Bloomberg-Monitor, saß aufrechter da oder vielleicht weniger aufrecht? Kündigte sich so ein Karrieresprung an? Ich wusste es nicht, ich hatte noch nie einen gemacht.
Bald danach kam die Stimme von Alex aus der Squawk-Box: »Leute, heute gibt's Industrieproduktionsdaten aus Japan und neue Zahlen zum Verbrauchervertrauen. Überraschungen erwarten wir nicht, aber behaltet es im Auge. « Er machte eine Pause, ungewöhnlich lang dafür, dass er normalerweise sehr schnell sprach. »Wie ihr mitbekommen habt, ist Chris Neely nicht mehr bei uns.« Ich sah zur Seite, zu Alex' verglastem Büro am Ende unserer Reihe, von dem er uns immer im Blick hatte.
Ich spürte meinen Magen. Er tat nicht weh, ich spürte ihn einfach, als würde etwas von innen dagegen drücken, wie bei einer Turbulenz im Flugzeug. Ich hatte noch nie Probleme mit dem Magen gehabt. Aber das musste man wohl in Kauf nehmen, wenn man Karriere machte.
»In Neelys Account sind noch jede Menge Positionen, die wir zu euch transferieren müssen«, sagte Alex. »Der Sys-Admin schickt gleich eine Mail mit seinen Zugangsdaten rum.«
Anfangs hatte es mich gewundert, wie oft bei
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