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Das War Ich Nicht

Das War Ich Nicht

Titel: Das War Ich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristof Magnusson
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irgendwie gut würde.
    Dann legte ich die Hand an den Armaturenhebel, um das Wasser abzudrehen. Ich musste los, stellte es jedoch nur wärmer und blieb stehen. Warum fiel es mir so schwer, das zu tun, was vernünftig war? Bestimmt fünf Minuten hatte ich meine Hand an dem Duschhebel, dann riss ich ihn rum. Richtung kalt. Mein Gesicht erstarrte. Während sich die Kälte in meinem Körper ausbreitete, zwang ich mich, nicht zu hyperventilieren und nahm mir zwei Dinge vor. Erstens: Ich würde Meike nicht anrufen. Heute nicht und morgen auch nicht. Meine alte Nummer würde ich sperren lassen und mir einen neuen BlackBerry besorgen. Und wenn sie mir auch das Gefühl gab, dass alles gut würde ein . Gefühl ist eben nur ein Gefühl. Gefühle bringen alles durcheinander. Zweitens: Ich musste meinen Verlust loswerden. Mein Leben musste wieder so werden, wie es gewesen war.
    Sobald ich im Händlersaal angekommen war, öffnete ich Neelys Account. Der Verlust war noch da. Natürlich war er noch da, obwohl ich einen Moment gehofft hatte, ich hätte das alles nur geträumt. Doch kindische Gedanken halfen mir nicht weiter. Durch die fiktiven Gegengeschäfte hatte ich zwar Zeit gewonnen, doch bald würde es trotzdem auffallen, dass die Geschäfte, die ich in Equinox eingegeben hatte, mit dem Stand der Konten nicht übereinstimmten.
    HomeStar konnte unmöglich noch weiter steigen. Heute früh war die Aktie fast unverändert zum gestrigen Schlusskurs in den Handel gegangen. Bald würden die ersten Investoren verkaufen. Gewinne mitnehmen. Ich musste nur noch einmal darauf setzen, dass HomeStar fiel. Am besten genau so viel Geld, wie ich verloren hatte. Das funktioniert sogar im Casino: Wer 1OO Euro auf Rot setzt und verliert, muss danach einfach 200 Euro auf Rot setzen, dann 400, 800, so lange, bis er gewinnt. Eigentlich ein sicheres System, denn früher oder später wird Rot kommen. Ein Problem hat man nur, wenn Rot so spät kommt, dass das Casino einen vorher raus schmeißt.
    Ich kaufte für 650.000 Dollar Verkaufsoptionen auf HomeStar und buchte danach in Equinox ein, dass ich in gleicher Höhe Kaufoptionen gekauft hätte. Die Kaufoptionen waren natürlich auch diesmal fiktiv, ein Ablenkungsmanöver, damit meine Geschäfte nicht so riskant aussahen, wie sie waren. Ich tat so, als hätte ich im Casino gleichzeitig auf Rot und auf Schwarz gesetzt. Jetzt musste HomeStar nur noch fallen, bevor alles aufflog.
    Ich lehnte mich zurück und stellte an den braunen Plastikverpackungen auf meinem Schreibtisch fest, dass ich vier Snickers gegessen haben musste. Wickelte einige Kundenaufträge ab, damit die Kollegen nicht misstrauisch wurden.
    Dann kam die Nachricht, dass die Preise für Wohnimmobilien stärker gestiegen waren als erwartet. Eigenheimbesitzer konnten nun noch höhere Hypotheken auf ihre Häuser aufnehmen. HomeStar stieg weiter. Ich ignorierte das klingelnde Telefon, griff zum Taschenrechner, der bestätigte, was ich im Kopf bereits ausgerechnet hatte. 1,3 Millionen Dollar Verlust. 1,3 Millionen. Doch HomeStar wird fallen! Wenn nicht heute, dann morgen. Meike hatte auch gesagt, dass sie dem Laden nicht traut.
    Natürlich wusste ich, dass Menschen dazu neigen, Verluste nicht wahrzunehmen, solange sie nur in Form von Wertpapieren in ihrem Account sind. Dazu neigen, diese Wertpapiere nicht zu verkaufen, in der Hoffnung, dass mit der Zeit alles wieder in Ordnung kommt. Wusste, dass das ein Mechanismus ist, den man ausschalten muss, um am Finanzmarkt bestehen zu können. Man darf sich Verluste nicht schön reden
    1 ,3 Millionen waren es jetzt. Sofort alles verkaufen. Abschreiben. Das musste ich tun, konnte es aber nicht. Stattdessen nahm ich das Telefon ab. Führte einen Kundenauftrag aus, einen zweiten, einen dritten, bis die Zahlen auf den Monitoren vor meinem Auge anfingen zu verschwimmen. Nachdem ich zwei weitere Snickers gegessen hatte, wurde mir auch noch schlecht.
    Ich wusste nicht, wie viel Zeit mir blieb, bis alles entdeckt würde. Am besten war es, wenn ich meine Positionen nie lange hielt. Je öfter ich alles verkaufte und sofort wieder neu kaufte, je mehr Transaktionen ich tätigte, desto schlechter kam das Back-Office mit dem Nachrechnen hinterher. Also öffnete ich erneut Neelys Account, kaufte, verkaufte, erhöhte meine Einsätze. Hielt alles in Bewegung - solange die Positionen nur ein paar Stunden alt waren, interessierte sich das Back-Office hoffentlich nicht dafür. Wie bei Lebensmitteln: je frischer, desto

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