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Das War Ich Nicht

Das War Ich Nicht

Titel: Das War Ich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristof Magnusson
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7,90. Mit jedem Klick liefen mir die Kurse weiter davon. Niemand, der mir die Kontrakte abnehmen wollte. 5.000 Stück wäre ich losgeworden, aber keine 200.000.
    »Da wollen ja jetzt alle rein, die ganzen Scheißer denken, sie verpassen was«, sagte Jeff.
    Fast hätte ich ihn angeschrien, er solle den Mund halten.
    Als der Kurs auf unter 6,00 gefallen war, rechnete ich nach. 650.000 Dollar Verlust, sechshundert ... Einen Moment lang tat ich nichts. Hoffte auf ein Wunder. Dass die Leute sich daran erinnerten, wie viel Angst sie noch vor zwei Wochen vor dem Platzen der Immobilienblase gehabt hatten. Sechshundertfünfzigtausend Dollar. Ich dachte nichts, handelte nicht. Rechnete nur noch meinem Verlust hinterher.
    Ein Minus dieser Größe würde auch in Chris Neelys Account auffallen. Um so einen Verlust zumindest vorübergehend zu verstecken, gab es eigentlich nur eine Möglichkeit. Sie stellte einen so dreisten Betrug dar, dass ich mir nie hätte träumen lassen, überhaupt einmal darüber nachzudenken. Nun hatte ich keine andere Wahl.
    Ich stieß alle Verkaufsoptionen ab. Equinox registrierte den Verlust. 650.000 Dollar. Dann kam der Trick: Ich buchte eine Transaktion mit HomeStar-Kaufoptionen in identischer Höhe ein. Tat so, als hätte ich nicht nur auf das Fallen von HomeStar gewettet, sondern gleichzeitig darauf, dass die Aktie stieg. Nun sah es so aus, als hätte ich eines dieser komplexen LongStraddle-Geschäfte gemacht, eine Grätsche. Meinem Verlust schien nun ein ähnlich großer Gewinn gegenüber zu stehen. Nur dass es den Verlust wirklich gab. Den Gewinn nicht.
    Ich atmete ein, atmete aus und klickte auf Ausführen. Nun hatte ich alles ausgeglichen, zumindest in meinem System.
    In dieser Hinsicht funktionierte der Händlersaal wie ein Supermarkt, an dem ich an der Kasse saß. Bonieren konnte ich, was ich wollte. Ob das, was ich boniert hatte, mit dem Geld in der Kasse übereinstimmte, würde in einem Supermarkt bei der Abrechnung nach Ladenschluss auffallen. Wann es hingegen bei Rutherford & Gold auffiel, konnte ich beeinflussen. Solange ich so tat, als hätte ich jede HomeStar-Verkaufsoption mit einer HomeStar-Kaufop tion abgesichert, galt das als relativ sicheres Geschäft und wurde von der Risk-Compliance-Software im Back-Office in eine niedrige Risikokategorie einsortiert. Es war mein Glück, dass ich wusste, dass sie im Back-Office nicht in erster Linie darauf achteten, wie viel Geld investiert wurde, sondern darauf, wie sicher es investiert wurde. Eine Million in Optionen, die nicht durch Gegengeschäfte abgesichert waren, war schlimmer, als 500 Millionen, die zur Hälfte darauf setzten, dass eine Aktie stieg, und zur anderen Hälfte darauf, dass dieselbe Aktie fiel.
    Den Rest des Tages passierte nichts mehr. HomeStar dümpelte vor sich hin wie ein Museumsschiff; die Umsätze gingen zurück, der Handel in Europa ging vorbei, dann auch der nachbörsliche Handel.
    Die Sonne war bereits untergegangen, als ich die Bank verließ. Ob es schneite, bekam ich nicht mit. Wollte nur noch schlafen. Schon im Fahrstuhl zu meiner Wohnung machte ich die Augen zu und zählte die Stockwerke im Kopf mit. Immer höher. Immer weiter. Wie ferngesteuert schloss ich meine Wohnung auf, zog Schuhe und Mantel aus und setzte mich auf das Sofa. Sah mich in meinem Wohnzimmer um, das die Lichter von Chicago erhellten. Premmö gefiel mir nun gar nicht mehr. Warum hatte ich mir keinen normalen Tisch gekauft, an dem man auch zu zweit sitzen konnte, sondern einen Computertisch, vor dessen eine Seite ich ein Paneel geschraubt hatte, weil das die Montageanleitung so vorsah?
    Ich hätte am liebsten Meike angerufen. Der Akku in meinem BlackBerry hielt nicht ewig. Viel Zeit blieb mir nicht, doch heute durfte ich sie nicht anrufen, das würde verzweifelt wirken. Und doch hätte ich es getan. Wenn ich ein Festnetztelefon gehabt hätte.
    Ich klappte meinen Laptop auf. Ihr Nachname war leicht rauszubekommen. Meike Urbanski. Sie war nicht bei Facebook.
    Am nächsten Morgen wachte ich um 2:34 auf. Dachte sofort an HomeStar. Ging unter die Dusche. Der Chlorgeruch des Wassers irritierte mich immer noch, trotz der Jahre, die ich bereits hier war. Ich hielt mein Gesicht in den harten Strahl und versuchte mir vorzustellen, wie Meike ausgesehen hatte. Sie war auf eine so ruhige Art schön, dass ich mich nicht mal an ihre Augenfarbe erinnerte, sondern nur an das Gefühl, das über mich gekommen war, als ich sie angesehen hatte. Das Gefühl, dass alles

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