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Das War Ich Nicht

Das War Ich Nicht

Titel: Das War Ich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristof Magnusson
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unauffälliger.
    Die Stimmung um mich herum war ausgezeichnet; Nathan machte Witze, Suzanne hatte mehrfach gelacht, und sogar der schüchterne Jeff sagte etwas, ohne dass ihn jemand angesprochen hätte. Alle hatten gut verdient und überlegten, welchen Bonus sie bald bekommen würden. Was es für mich nur schlimmer machte. Hätten heute alle Geld verloren, wäre es nicht so schlimm gewesen. Die größte Angst des Traders ist nicht die vor dem Verlust. Die größte Angst ist die davor, mit einem Verlust allein zu sein.
    MElKE
    Dieser Typ war ja wohl so langweilig, wie Anzug und BlackBerry einen nur machen können. Ich konnte es kaum glauben, dass er mir wirklich seinen Kaffee in die Hand gedrückt hatte, um »kurz mal Marktdaten zu checken«, und als er fertiggecheckt hatte, war Henry LaMarck natürlich weg.
    Ich machte mich auf den Weg zurück zu den Nonnen. Der Schnee vom Vormittag lag grau am Boden herum, und der Wind fuhr so erbarmungslos auf mich nieder, als wäre er nur zu diesem Zweck aus der Arktis hierher gekommen Alles stand in so eklatantem Gegensatz zu dem milden, angenehmen, wohltemperierten Chicago aus Henry LaMarcks Romanen, dass es schon an böswillige Täuschung grenzte.
    Nachdem ich den Fluss überquert hatte und an einer Ampel stehen bleiben musste, nahm ich den BlackBerry aus meiner Manteltasche. Mir dieses hässliche Teil zu schenken - dieser Typ war nicht nur langweilig, er hatte auch noch den schwarzen Gürtel in Arroganz!
    Am liebsten hätte ich ihn nach unserem Treffen gegenüber bei der Bank abgegeben, aber er hatte mir nur seinen Vornamen gesagt. Jasper. An dem nächsten Mülleimer blieb ich stehen. Hielt den BlackBerry über die Öffnung und musste dabei eine Taste gedrückt haben, denn die Beleuchtung ging an, sodass die kaum erkennbaren Buchstaben auf den kleinen Tasten in die Dämmerung leuchteten. Symbole erschienen auf dem Bildschirm, über dem ein Licht blinkte, regelmäßig, rot, ungefähr alle zwei Sekunden, als wollte es sagen: »Hallo ... Hallo ... « Ich steckte ihn wieder ein. Immerhin hatte ich jetzt ein Telefon, das ich verkaufen konnte, wenn ich Geld brauchte.
    Was, wenn das Ding klingelte? Ich wusste nicht einmal den Klingelton. Das war bestimmt so ein Jungs-Ton, irgendwas Entertainment-orientiertes, aber nicht zu spaßig und feminin.
    Im Kloster lag ich eine Weile mit offenen Augen auf meinem Bett, starrte einen Fleck an der Decke an, der langsam größer zu werden schien, und atmete nicht schneller als ein in der Sonne liegendes Krokodil. Dann betrachtete ich das Zimmer um mich herum, die geflickten, wackeligen, zerbrochenen, geklebten, abgeranzten Dinge, mit denen es eingerichtet war. Jedes Mal, wenn eine der Nonnen irgendwo im Haus das Wasser aufdrehte, ächzten die Rohre.
    Ich legte den BlackBerry auf meinen Nachttisch, wo er keinen Ton von sich gab, bis ich einschlief, so tief schlief, dass ich mich beim Aufwachen wunderte, warum niemand neben mir lag, denn das Bett war so groß wie das, das Arthur und ich uns in Hamburg zehn Jahre geteilt hatten.
    Ich begann den Tag mit einem Frühstück, das die Nonnen in ihrem Refektorium anboten: Cornflakes mit fettarmer H-Milch. Dann machte ich mich auf den Weg in Richtung Zentrum. Obwohl es noch kälter war als gestern, ging ich mit erhobenem Kopf durch die Straßen und hielt Ausschau nach einem groß gewachsenen Mann mit graumelierten Haaren, schlank, braun gebrannt, in einem schlichten schwarzen Mantel. Heute würde ich mich nicht aus dem Konzept bringen lassen, sondern Henry LaMarck ansprechen. Vielleicht hielt ich schon heute Abend das Manuskript in den Händen. Ich bereute es, dass mein Rückflug erst in einigen Tagen war und ich ihn, wenn ich es richtig erinnerte, nicht umbuchen konnte, denn am liebsten wäre ich mit dem Manuskript sofort zurück nach Deutschland geflogen und hätte mit der Arbeit begonnen.
    Wie am Tag zuvor setzte ich mich in den Walnut Room, bestellte aber diesmal nur Kaffee, keine Torte, um Geld zu sparen. Außerdem musste ich ja sofort aufbrechen können, sobald Henry LaMarck sich zeigte. Ich trank eine Tasse, ließ mir nachschenken, legte das Geld für den Kaffee auf dem Tisch bereit. Es war schon fast Mittagszeit - lange konnte es nicht mehr dauern. »Mr. LaMarck, wir kennen uns nicht, aber ich habe Sie übersetzt«, sagte ich leise vor mich hin. Ich musste üben, denn heute würde ich ihn ansprechen. Was für ein merkwürdiger Satz: »Ich habe Sie übersetzt.« Das klingt so intim, heißt es doch

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