Das War Ich Nicht
nein!«
»Dabei ist mein Job total intensiv. Wir sind die Rockstars einer jeden Investmentbank. Nur ohne Fans. Die Leute haben keine Ahnung, wie wichtig Märkte sind. Jeder kann doch mal Geld brauchen. Für eine Geschäftsidee, als Kredit für seine Firma oder sein Haus. Wir sorgen dafür, dass das Geld dahin kommt, wo es am produktivsten ist. Wie eine Wasserleitung. Wenn niemand für Druck sorgt, kommt auch nichts, wenn Sie den Hahn aufdrehen.«
»Köstlich!«, rief ich und klopfte ihm aufs Knie. Der BusinessBoy saß einfach da, weder besonders zugewandt noch abweisend. Trank seinen Kaffee.
»Ich bin froh, dass ich endlich jemanden getroffen habe, der sich damit auskennt. Einen echten Profi.«
Er hob den Kopf in einer raschen, fast abrupten Bewegung, dann sank sein Blick auf meinen Roman, den er vor sich auf den Tisch gelegt hatte.
»Ich würde Sie auch gerne was fragen.« »Ach, wirklich?«
»Warum heißt das Buch Unterm Ahorn? Graham Santos sitzt doch die ganze Zeit unter einer Palme.«
»Das ist ganz einfach. Weil ich adoptiert bin. Und als ich das Buch schrieb, gerade erfahren hatte, dass meine leiblichen Eltern Maple heißen. Ahorn.«
»Maple?«
»Ja.« Ich wunderte mich über mich selbst. Ich hatte mich immer geweigert, den Titel zu erklären, was zu wilden Spekulationen über dessen metaphorische Bedeutung geführt hatte, da in dem ganzen Buch alle möglichen Bäume vorkommen, Eichen, Linden, sogar eine Espe, aber kein einziger Ahornbaum. Niemand wusste, dass ich adoptiert war. Nicht, weil ich das so schlimm fand - ich fühlte mich in keinster Weise traumatisiert. Ich wollte einfach keine schlafenden Hunde wecken. Meine leiblichen Eltern wussten nicht, wer mich adoptiert hatte, hatten keine Ahnung davon, was für einen berühmten Künstler sie da zur Welt gebracht hatten. Kurz bevor mein Roman erschien, hatte ich erfahren, wie sie hießen: Hugh und Kiki Maple. Ich hatte das damals in Erfahrung gebracht, weil ich ihnen eigentlich ein Buch schicken wollte. Doch dann bekam ich plötzlich Angst davor, dass irgendwelche Maples bei mir auftauchen und auf Verwandtschaft machen würden - eine Familie war mir mehr als genug. Also meldete ich mich nicht bei ihnen, stattdessen nannte ich das Buch Unterm Ahorn.
»Dann ist das gar keine Metapher? Die Leute gehen in dem Roman doch dauernd aneinander vorbei, die Liebe geht an den Leuten vorbei, da dachte ich, dass eben auch der Titel an dem Buch vorbeigehen soll.«
»Ach, wirklich?«, sagte ich und bappte mir einen imaginären Klebezettel an die Stirn, nicht noch einmal »Ach, wirklich« zu sagen.
»Der ganze Roman ist doch ein Plädoyer dafür, nicht zu sehr an die Liebe zu glauben. Seine Unabhängigkeit zu leben. Das ist doch der Sinn dieses Buches.«
Er hatte recht. Zumindest hatte ich in Interviews immer wieder behauptet, dass die Liebe ein Auslaufmodell sei. Es hatte ja Zeiten gegeben, in denen sich kaum jemand für Romantik interessiert hatte. Vor der Romantik. Und heute, im Zeitalter der Kaffeemaschine und des Tiefkühlgerichts, war es vielleicht auch wieder so weit, hatte ich den Journalisten gesagt - aber in diesem Moment wollte ich nicht daran glauben.
»Richtig, das ist der Sinn des Buches. Aber das ist doch nur ein Roman. Das Leben ist anders.«
»Meins nicht«, sagte der Business-Boy.
»Na ja, meins eigentlich auch nicht«, sagte ich.
»Dann haben Sie es doch geschafft, so zu leben, wie in Unterm Ahorn beschrieben. Ihre Bücher haben Sie reich gemacht. Also sind Sie unabhängig. Sie haben doch sicher eine Villa, einen Chauffeur, einen Vermögensberater und ... «
»Mein Geld ist einfach so auf der Bank«, sagte ich. Er sah mich an, als hätte ich statt Bank Bahnhofsschließfach gesagt. »Fonds?«
»Nein.«
»Anleihen?«, sagte er so betroffen als hätte ich ihm gerade offenbart, ich hätte nur noch wenige Wochen zu leben.
»Auf meinem Konto. Bei Rutherford & Gold, zufälligerweise.«
»Warum machen Sie denn nichts damit?« »Ich mache ja was damit, ich gebe es aus.«
»Auf dem Konto«, wiederholte er fassungslos. Da wusste ich, wie die Szene weitergehen musste, und sagte: »Vielleicht sollte ich doch mal etwas anlegen.« »Das müssen Sie!«
»Könnten Sie mir da vielleicht helfen?« »Jederzeit. «
»Morgen um sechs. Hier?«
»Ja. Ich habe zurzeit keine Visitenkarten«, sagte er, während er eine Serviette nahm und mir seine Telefonnummer aufschrieb. Ich steckte sie in die Innentasche meines Business-Outfits, ohne vorher draufzusehen.
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