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Das War Ich Nicht

Das War Ich Nicht

Titel: Das War Ich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristof Magnusson
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ein paar Jahren, wenn sich Henrys Romane weiterhin so gut verkauften, könnte ich das Haus langsam umbauen, vielleicht sogar das Dach mit Stroh decken lassen.
    Der BlackBerry piepte. Jasper schickte eine SMS mit einem gelben grinsenden Kreis, der in der Kurznachricht auf und ab hüpfte und mir zuzwinkerte. Ich löschte sie.
    Es war schon fast Mitternacht, als ich noch einmal das Zimmer verließ, durch die stillen Gänge schlich, an den Türen der anderen Pensionszimmer vorbei, in einem lief noch der Fernseher. Ich setzte mich ein wenig in die Kapelle und sah auf das rot erleuchtete Wort EXIT rechts neben dem Altar.
    Auf dem Rückweg sah ich, dass an der Rezeption noch jemand saß, bezahlte die Rechnung bis heute, ohne den Nonnen Trinkgeld zu geben, und verlängerte das Zimmer. Mir blieb kaum noch Zeit, ein paar Tage noch, dann musste ich zurückfliegen - so forderte es mein zwar teures, aber trotzdem nicht umbuchbares Ticket. Ich wusste zwar nicht, wovon ich die nächsten Nächte bezahlen sollte, aber ich hatte keine andere Wahl. Denn das hatte mir das Treffen mit Jasper klargemacht:
    Ich suchte nicht nur nach Henry LaMarck, weil ich ihn brauchte oder er mich - die Welt brauchte ihn. Millionen von Lesern warteten auf seinen Jahrhundertroman, und es lag an mir, ihn endlich zur Manuskriptabgabe zu bewegen.
    Am Morgen nahm ich auf der LaSalle Street meine Suche wieder auf. Ich versuchte erneut mein Glück. Leider ohne Glück, denn er ließ sich nicht blicken.
    Aber war das wirklich so schlimm? Mir kam ein Gedanke, der so logisch war, dass es mich wunderte, bisher nicht darauf gekommen zu sein: Dass Henry sich nicht blicken ließ, konnte auch ein gutes Zeichen sein. Vielleicht hatte er an jenem Tag im Finanzviertel recherchiert, inmitten der Hochhäuser, um ein letztes Detail in seinen Roman zum 11. September einzufügen. Jetzt fand ich ihn nicht, weil er dort saß, wo auch immer er sich versteckt hatte, die letzten Seiten schrieb, um morgen das Manuskript abzugeben. Vielleicht sogar schon heute? Wie sollte ich das wissen, wo doch mein deutsches Handy hier nicht funktionierte? Vielleicht hatten sich, während ich hier herumirrte, alle meine Probleme längst in Luft aufgelöst.
    Ich nahm den BlackBerry, fand nach einer Weile heraus, wie man die Rufnummernübertragung abstellte, wählte eine Nummer, die ich auswendig wusste, und wartete bis Thorsten Fricke sich meldete.
    »Hier ist Meike.«
    »Meike. Was macht die Nordsee?«
    »Habt ihr schon was von Henry LaMarck gehört?« »Immer noch nicht. Niemand bei Parker weiß, wo er ist.« »Und ihr könnt mir wirklich keinen Vorschuss zahlen?« "Ich ... «
    »Muss ja nicht viel sein.«
    »Übersetzer bekommen keine Vorschüsse auf Bücher, die die Autoren noch nicht abgeliefert haben.«
    »Aber er wird es abliefern. Da bin ich mir sicher.« »Und wenn er kein Manuskript hat?«
    »Er hat uns noch nie im Stich gelassen. Er sitzt irgendwo, ändert ein paar letzte Kleinigkeiten, dann gibt er ab.«
    »Und bis dahin müssen wir warten.«
    »Würdet ihr mir die Reise nach Chicago bezahlen, wenn ich nach ihm suche ?«
    Thorsten lachte.
    »Ich zahle die Reise, okay? Ihr müsstet nur meine Unterkunft zahlen.«
    »Und wenn du ihn wirklich findest, was machst du dann?« »War nur so eine Idee«, sagte ich und legte bald danach auf. Selbst durch diese interkontinentale Handyverbindung hatte ich hören können, dass Thorsten Fricke während des Telefongesprächs nicht aufgehört hatte, die E-Mail zu schreiben, an der er gerade saß, die ganze Zeit hatte die Computertastatur geklappert.
    Etwas später stand ich wieder vor dem Caribou und rauchte die letzte Zigarette aus meiner zollfreien Stange. Wie es mir gelungen war, in diesem raucherunfreundlichen Land in den wenigen Tagen eine ganze Stange zu rauchen, war mir ein Rätsel, vielleicht aber auch logisch, da ich überall, wo man noch rauchen durfte, das Bedürfnis verspürte, es sofort zu tun.
    Auf dem weißen Zigarettenpapier hinterließen die Schneeflocken dunkle Flecken, die ich langsam wegrauchte.
    Ich hatte meine Chance gehabt, ihn zu finden, und hatte sie nicht genutzt. Nun blieb mir wohl nur eine Rückkehr zu den Hausfrauenpornos.
    Viel weiter konnte ich nun wirklich nicht sinken, dachte ich, und wusste doch, dass es nicht stimmte. Ich konnte noch viel weiter sinken: Ich konnte Jasper fragen, ob ich bei ihm wohnen könnte und er mir irgendwann später einen Rückflug bezahlte. Bei dem Gedanken daran verzog ich das Gesicht und kniff die

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