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Das War Ich Nicht

Das War Ich Nicht

Titel: Das War Ich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristof Magnusson
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hätte ich nicht gedacht.
    Ich fasste in meine Hosentasche, in der immer noch der Bonusscheck war. 40.000 Dollar. Dann sah ich mir den Kurs von HomeStar an.
    Minus drei Prozent.
    Ich sah auf den Analystenmonitor. Die Gerüchte, dass jemand in großem Stil HomeStar-Aktien aufkaufte, waren wirklich nur Gerüchte gewesen. Nun, wo ich alles darauf gesetzt hatte, dass der Kurs weiter stieg, war das passiert, auf das ich all die Tage gewartet hatte: HomeStar fiel.
    Ich versuchte, die Kaufoptionen abzustoßen, da kam die Fehlermeldung: Transaktion nicht möglich. Ich konnte von Graham Santos Account nicht mehr handeln - nicht bevor dieser Kunde die Sicherheitszahlungen an EUREX geleistet hatte. Zehn Millionen.
    Es war, wie auf einem Turnier eine Schachpartie zwei Stunden lang nicht zu verfolgen und dann wieder an das Brett zu treten: Ein Läufer war geopfert, Türme besetzten die offenen Linien und der gegnerische König versteckte sich hilflos hinter dem einen versprengten Bauern, der von dem Schutzwall seiner Königsstellung geblieben war. So können Dinge sich verändern. Als mein Verlust vor ein paar Tagen die Grenze zur Million überschritten hatte, hatte ich mir Sorgen gemacht. Nun tat es nicht mehr weh. Ein paar Hundert Millionen. Wer konnte sich das denn noch vorstellen?
    Ich spürte, wie die Kollegen hinter meinem Rücken über mich lästerten. Vielleicht dachten sie jedes Mal an mich, wenn etwas über einen Amok-Läufer im Fernsehen kam. Je länger ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, wie genau ich auf die Beschreibung des typischen Amokschützen passte: überdurchschnittlich intelligent, verbringt seine Freizeit vor dem Computer, Einzelgänger, keine Freunde, keinen Vater, relativ normal, aber schon immer ziemlich verschlossen.
    So redeten sie wohl abends beim Bier über mich: »Wenn hier mal einer durchdreht, dann bestimmt der Freak aus Reihe 29, dieser Deutsche, wie heißt er noch gleich?«
    Seitdem Henry die Drehtür durchschritten hatte, war auch das letzte bisschen Respekt weg, mit dem sie mich hier behandelten. Wir mochten es nicht, wenn hier fremde Leute reinkamen. Insofern geschah es Henry recht, dass ich mir nun sein Geld auslieh, für die Marginzahlung an EUREX. Das war die letzte Chance, den heutigen Tag zu überleben. Zehn Millionen. Er hatte sicher nichts dagegen. Ich konnte ihm das Geld ja bald zurückzahlen, vielleicht sogar mit Gewinn - und er hatte mir schließlich freie Hand gelassen, was ich mit seinem Kapital tat. Loggte mich auf seinem Konto ein. Ganz normal, über die Internetseite von Rutherford & Gold. Etwas über neun Millionen Dollar. Das würde erst einmal reichen. Ich klickte auf Überweisungen. Ruhig und routiniert.
    Ich gab die Kontonummer von EUREX ein und schrieb ins Betragsfeld: 9.393-383 Dollar. Mr. LaMarck, willkommen bei Rutherford & Gold Online. Geben Sie nun ihre TAN-Nummer ein. Ich holte die Liste mit Henrys Transaktionsnummern hervor.
    »Jasper?« Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter. »Kommst du mal kurz?«
    Alex wartete nicht auf Antwort. Verschwand in Richtung seines Büros. Dort saß bereits jemand. Mit dem Rücken zu mir.
    Dann sah Alex sich um. Winkte mir zu, ich solle mich beeilen. Für einen Moment setzte mein Herz aus, dann fing es an zu rasen. Henry hatte doch recht gehabt. Sie wussten alles. Nun war der Zeitpunkt gekommen. Sie feuerten mich.
    Ich überlegte, wer mich da drinnen erwartete. Brittany? Der Finanzvorstand? War dies der Moment, um zu fliehen? Ich sah mich nach der Drehtür um, während ich schon in Alex' Richtung ging.
    Ich betrat Alex' Glaswürfel. Der Mann vor seinem Schreibtisch erhob sich, als ich reinkam. Drehte sich um, reichte mir die Hand. Es war der Krawattenmann. Sein Händedruck war erstaunlich weich. Ich packte so fest zu, dass irgendwas knackte. Hätte ihm am liebsten gar nicht die Hand gegeben. Oder sie ewig festgehalten und geschüttelt, die Begrüßung ins Unendliche verlängert, damit das, was nun kommen würde, niemals begann. Wenn ich jetzt alles gestand, würde das etwas retten? Wenn ich jetzt wegrannte, schaffte ich es bis zur Drehtür?
    »Geht gut, oder?«, sagte Alex, was für seine Verhältnisse ein ziemlich ausgedehntes Vorgeplänkel war. »Solange es geht, geht's«, sagte ich.
    »Das ist Shelby Sanderson, unser Bereichsleiter Trading.« »Ja«, sagte ich.
    »Freut mich«, sagte er. »Aus Deutschland. Der Fußballfan, oder?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Ich habe neulich mal an Ihrem Arbeitsplatz gesessen. Alex

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