Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das War Ich Nicht

Das War Ich Nicht

Titel: Das War Ich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristof Magnusson
Vom Netzwerk:
wollte mir zeigen, welche Route er im Urlaub mit dem Motorrad fahrt, und wir konnten gerade nicht an seinen Computer, weil jemand aus der IT da gerade ein Update installiert hat. Und Sie waren ja unterwegs, da hat er es mir an Ihrem Platz gezeigt. Toll, dieses Google Maps, oder?«
    »Ja«, sagte ich erneut. Dass sie solche Sadisten waren, hätte ich nie gedacht. Sie spielten Katz und Maus mit mir, bevor sie mich mit meinen Machenschaften konfrontierten. Ich konnte nichts mehr sagen, krallte meine Finger in die Lehne des Stuhls, in den ich mich gesetzt haben musste, hielt mich mit den Füßen an den Stuhlbeinen fest, als wäre ich im schwerelosen Raum und müsste alle Kraft aufwenden, um hierzubleiben, während Alex' Lippen Worte formten.
    »Wir haben uns entschlossen, einige Veränderungen in der Abteilung vorzunehmen. Jetzt, wo Neely weg ist, brauchen wir Verstärkung für die Institutional Client Group.«
    Ich sah den Krawattenmann an, der die Mundwinkel nach oben zog.
    »Und ich habe ja gesehen«, sagte Alex, »dass du ein gutes Händchen mit Long Straddles hast.« Er sah mich an, als sei das die normalste Sache der Welt.
    »Das weißt du?«
    »Ich bin doch nicht blöd. Ich habe dich machen lassen - du hast ja gut verdient.«
    Henry hatte recht gehabt. Und wiederum auch nicht. Alex hatte meine unautorisierten Geschäfte zwar entdeckt, aber offensichtlich übersehen, dass nur die verlustreichen Verkaufsoptionen echt waren, die Gewinne aus den Kaufoptionen hingegen nicht.
    »Wenn Sie das wirklich so gut machen, wie Alex sagt, können wir Sie in der Institutional Client Group gut gebrauchen«, sagte der Krawattenmann. »Wenngleich wir Ihnen etwas genauer auf die Finger schauen werden.«
    Ich sah Alex an. Auf seinem Gesicht eine Art Grinsen. Da war ich mir sicher, dass er allen Ernstes dachte, ich hätte mit meinen unautorisierten Geschäften Geld verdient. Mir wurde schlecht bei dem Gedanken, dass Alex sich über meine fingierten Gewinne gefreut hatte und dadurch seinen Bonus wachsen sah. Hatte er wirklich eben gesagt: »Ich bin doch nicht blöd«?
    Mir fiel auf, dass die beiden auf eine Antwort warteten. Ich musste die Initiative ergreifen.
    »Ich will noch im Händlersaal bleiben und mehr lernen«, sagte ich.
    Alex' ohnehin schon sparsame Mimik fror ein. Die Augenlider schienen das Einzige in seinem Gesicht zu sein, das noch lebte. Gerade noch. So was hatte er noch nie gehört. Hundertprozentig sicher. Das war eine Beförderung. Niemand lehnte so ein Angebot ab. Ich bereute den Satz. Sofort. Die auswendig gelernte Streberhaftigkeit des »mehr lernen«, die Art, wie ich dabei erst zu Alex guckte, dann zu dem Krawattenmann, dann wieder zu Alex, um keinem der beiden wirklich in die Augen sehen zu müssen.
    Sie sagten nichts.
    »Ich muss dann wieder an meinen Platz«, sagte ich. Stand auf und verabschiedete sie, ohne erneuten Händedruck. Ich wusste, dass ich nun sehr schnell sein musste.
    Ich zog das Papierfach unseres Druckers auf, nahm ein weißes Blatt heraus und schrieb: Es tut mir leid. Jasper. Steckte es in einen Umschlag, schrieb Alex' Namen drauf und gab ihn in die Hauspost. Alex würde ihn heute Abend bekommen.
    Dann nahm ich die letzten sechs Snickers aus meiner Schublade. Ich wollte mich von Jeff verabschieden, doch er war nicht an seinem Platz. Überlegte, eine Nachricht zu schreiben, doch dann würden es alle zu schnell erfahren. Also zog ich seine Schublade auf und ließ die Snickers reinfallen. Er würde sich denken können, dass das ein Gruß von mir war. Sie fielen in die Schublade, in der Papiere lagen, Geschäftsberichte und eine Zeitungsseite. Aus der Chicago Tribune. Ich nahm sie raus. Es war die Titelseite des Wirtschaftsteils. Ein Foto, das an diesem Tag der Seitenaufmacher gewesen war, hatte jemand ausgeschnitten.
    Auf dem Weg nach draußen sah ich aus dem Augenwinkel, dass Alex noch immer mit dem Krawattenmann zusammen saß
    Ich musste los. Meinen Bonusscheck einlösen. Und mir einen neuen Job suchen.
    Fahrstuhl, Erdgeschoss, Eingangshalle, die Speed-Gates öffneten sich ein letztes Mal. Dann rief ich meine Mutter an. »Hier ist ... «, sagte ich, doch sie erkannte mich natürlich sofort.
    »Hallo, Jasper. Ich wäre fast gar nicht ans Telefon gegangen. Was ist das denn für eine Nummer?« »Ich habe ein neues Handy.«
    »Erreiche ich dich jetzt unter dieser Nummer? Gilt die alte nicht mehr?«
    »Nein«, sagte ich. »Ruf auf gar keinen Fall auf der alten Nummer an!«
    »Was ist denn los?«

Weitere Kostenlose Bücher