Das waren schöne Zeiten
gewesen war, die Leitung einer Schule und ganz besonders die Führung eines Internats zu übernehmen, und wie sie zu Miss Large ging und sie anflehte, ihr als Vorsteherin zu Hilfe zu kommen. Die beiden bildeten ein großartiges Team mit ihren hohen Idealen, ihren freundlichen, aber festen Grundsätzen in der Führung und mit ihrem Verständnis für die Jugend. Ich verehrte sie beide, und es war das erstemal, daß ich ein bißchen Ehrfurcht vor Autorität verspürte.
Jedoch nicht genug, um aus mir eine Musterschülerin zu machen. Ich war immer noch bedauerlich ungezogen und befand mich dauernd in irgendeiner Klemme. Einmal kitzelte ich ein dickes Mädchen so lange, bis es erschöpft auf mein Bett fiel — und das Bett zusammenbrach. Immer wieder wurde ich in dem kleinen, abgeteilten Schlafraum meiner schottischen Freundin Celia Gilmour ertappt, und ich brachte es fertig, Barries Little Minister bei Mondlicht, auf dem Fensterbrett sitzend, zu lesen. Auch ein paar Eskapaden auf der Feuerleiter fehlten nicht, und ich glaube, daß vermutlich nur Miss Spencers Geduld und ihre Freundschaft mit meiner Mutter mich davor bewahrten, von der Schule geschickt zu werden.
Während der zwei Jahre an der >Napier High School< schloß ich Freundschaften, die mein ganzes Leben lang dauerten. Ich blieb mit Miss Spencer bis zu ihrem Tod in Verbindung und hatte in späteren Jahren noch viele erfreuliche Zusammenkünfte mit Mrs. Hutchinson. Celia Gilmour und ihr Haus in Elsthorpe blieben durch all meine ledigen Jahre ein Hafen für mich, und sogar Jahre später kehrte ich dort wieder mit meinen beiden ältesten Kindern ein.
Als ich vierzehn Jahre alt war, erfuhr unser Leben eine einschneidende Veränderung. Mein Bruder hatte sein Examen als >Master of Arts< mit >First Class Honours< abgeschlossen und eine Berufung als Lehrer an die Lateinschule in Auckland angenommen. Dies, zusammen mit einer Erhöhung des Einkommens von der Bay of Island-Farm, ermöglichte es meiner Mutter, mit dem Musikunterricht aufzuhören, der sie schon seit langem überanstrengte, und nach Auckland zu übersiedeln. Für mich bedeutete das einen schweren Schlag. Es hieß von Miss Spencer Abschied nehmen, an der ich sehr hing, und von meinem ganzen Freundeskreis. Napier und die Hawke’s Bay waren seit meinem zweiten Lebensjahr meine Heimat gewesen, und der Gedanke, nach Auckland und in eine große Schule zu gehen, war mir verhaßt.
Später sollte ich noch sehr dankbar für die Jahre sein, welche ich in der Auckland-Schule verlebte, und noch heute denke ich mit sehnsüchtiger Freude an diese Zeit zurück. Aber der erste Tag dort gestaltete sich für mich so unerfreulich wie nur möglich. Die Schule lag damals in der Symonds Street, gegenüber der St.-Pauls-Kirche. Ich erinnere mich noch deutlich an das Mißbehagen, als ich an jenem Morgen das Tor öffnete und mich einer für meine Begriffe enormen Anzahl von völlig uninteressierten Mädchen gegenübersah. Unglücklicherweise hörten sie bald auf, uninteressiert zu sein, denn es hatte sich herumgesprochen, daß einer der Lehrer mein Bruder war. Ein wenig später, während ich einsam meinen Lunch verzehrte und wünschte, ich wäre tot, begann eine lange Prozession von älteren Mädchen an mir vorüberzuziehen, die sich alle >Clarkes Schwester< ansehen wollten. Der Wechsel von meiner geliebten >High School< hierher fiel mir entsetzlich schwer. Dort war ich eine von fünfzehn Internatsschülerinnen gewesen; jedermann kannte meine Mutter, und ich hatte mich immer als eine bevorzugte und beliebte Person betrachtet.
Man steckte mich in die IV A, was ungewöhnlich war für eine >Neue<. Dort zappelte ich mich ab, um mit den Mädchen, die mir alle eine Klasse in der Lateinschule voraus waren, dazu noch den Vorteil einer Vorbereitungsschule hatten und mehr im Rechnen wußten, als ich je zu lernen imstande war, Schritt zu halten. Der erste Schlag war, daß nicht eine neben der >Neuen< sitzen wollte, so daß ich dankbar war, als Mr. J. H. Turner, allgemein Filio genannt, der uns Unterricht in Latein gab, beschloß, jede gefährliche Vertrautheit zu unterbinden, indem er uns dem Alphabet nach die Plätze anwies. Wenigstens brauchte ich dann nicht wie eine Ausgestoßene allein an meinem Pult zu sitzen.
Aber es sollte noch schlimmer kommen. Meine Platznachbarin hatte den gleichen Familiennamen wie ich, nur ohne >e<, und war obendrein noch ein temperamentvolles, wagemutiges Persönchen. »Ich möchte neben dem Mädchen am
Weitere Kostenlose Bücher