Das waren schöne Zeiten
versuchte Großvater für die Kleider zu bezahlen, wurde aber hartnäckig abgewiesen. »Aber die sind doch getragen. Was wollen Sie denn nun damit anfangen?« Die Antwort kam triumphierend. »Ich werde sie ins Schaufenster legen mit einem Schild: >Getragen vom Bischof<. Da kann ich viel mehr dafür verlangen.«
Als er Napier verließ, übergab Großvater seinen Bischofsstab der Kathedrale und lieh ihr außerdem einen Stab aus Sumpfeiche und Silber von der Irischen Kirche, wo die Familie meiner Großmutter, die de Courcy’s, seit Generationen gebetet hatten. Beides verbrannte, als die Kathedrale in einem Erdbeben zerstört wurde.
Zurückblickend denke ich, daß das missionarische Ziel, das meinen Großvater in seinem sechsten Jahrzehnt veranlaßte nach Persien zu gehen und diese mühsame und gefährliche Reise nach Isfahan auf Maultieren zu unternehmen, dauernd bedroht von Raubüberfällen, nicht hoch genug einzuschätzen ist. Er lernte auf dem Schiff Persisch, und man sagte, daß das seine zwanzigste Sprache gewesen sei. Sein Spitzname >Vielzüngiger Stuart< kam von seinem ungewöhnlichen Sprachentalent und nicht von seiner Beredsamkeit. Soweit ich mich erinnern kann, war er ein schweigsamer Mann und ein schlechter Prediger. Aber er war freundlich und gütig, mit nie versagendem Mitgefühl für alles Menschliche und einem wunderbaren Sinn für Humor.
Wie alle Männer seiner Familie sah er durchschnittlich aus, mit lebhaften Augen und einer langen Oberlippe, die seinem Gesicht etwas Affenähnliches gab. Er war enorm amüsant, wenn er sich über seine Erscheinung äußerte und liebte es, sie mit der seines Bruders Alec, welcher ebenfalls keine Schönheit war, zu vergleichen. Jahre danach erzählte mir ein späterer Bischof von Waiapu, daß er einmal meinen Großvater ausrufen hörte: >Ich mag ja nichts Besonderes sein, aber Sie sollten meinen lieben Bruder Alec in Sydney sehen!< »Aber«, fuhr der Bischof fort, »ich kannte Alec ebenfalls, und der pflegte immer zu sagen, >Ich mag ja häßlich wie die Sünde sein, doch, bei Gott, Sie sollten nur einmal meinen Bruder Ned in Neuseeland sehen<.«
Großvaters Weggang war natürlich ein harter Schlag für meine Mutter, eine junge Witwe mit drei Kindern, arm und mit bereits angegriffener Gesundheit, doch mit unvermindertem Lebensmut. Ich erinnere mich bis auf den heutigen Tag haargenau an seine Abreise. Nachdem wir beide, Tim und ich, im Hause geziemend von ihm Abschied genommen hatten, rannten wir durch Mr. Colensos Weiden auf die Landstraße hinunter und winkten wie toll dem davonrollenden Landauer mit seinen beiden Grauschimmeln nach. Mutter und Großvaters guter Freund, Archidiakonus Samuel Williams, der sich so sehr um die Finanzierung der Persischen Mission verdient gemacht hat, begleiteten ihn einen Teil der Reise mit der Eisenbahn. An den verschiedenen Stationen fanden sich überall Menschen ein, die ihrem guten, alten Bischof noch ein letztes Mal Lebewohl sagen wollten. Dann kehrte Mutter in ein Haus zurück, das einsam und verlassen gewesen wäre, wenn nicht Großvaters Schwester, Isabella Stuart, damals mit uns gelebt hätte.
Ich habe nicht die Absicht, den Leser mit noch mehr Beschreibungen dieser viktorianischen Familienangehörigen zu langweilen, und sowieso könnte ich >Tante Bea<, wie wir sie nannten, niemals gerecht werden. Sie war, obgleich eine Stuart, eine schöne Frau, frühviktorianisch in Kleidung und Benehmen und ihrer Zeit weit voraus an Originalität und Geist. Sie und ihre Schwester waren von Edinburgh gekommen, um meiner Mutter nach dem Tode meines Vaters beizustehen, und Tante Bea blieb weiter bei uns, nachdem ihre Schwester gestorben war. Für uns war sie viel mehr eine Großmutter als eine Großtante. Sie war herrschsüchtig, warmherzig, humorvoll und zeitweise fürchterlich unvernünftig. Uns Kinder verwöhnte und verzog sie. »Unsinn, meine Liebe! Ich weigere mich, einen guten Einfluß auszuüben. Es genügt, daß ich dich erziehen mußte. An diesen Kindern will ich Spaß haben.« Und Spaß hatte sie mit uns.
Ich war sieben, als Tante Bea uns verließ, um nach England heimzukehren. Bald darauf gab meine Mutter das große Haus auf, um in ein kleineres am Rande von Napier umzusiedeln. Doch bevor der Umzug vollzogen war, kam für meine Schwester und mich noch eine ziemlich unglückliche Zeit, während der wir in der Obhut meines Onkels John und seiner Frau, Tante Emily, in Waimate North gelassen wurden. Onkel John war der Jüngste der
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